Im letzten Sinfoniekonzert der Saison sind in der Komischen Oper Berlin zwei herausragende Künstlerinnen aufgetreten: Die in Venezuela geborene Pianistin Gabriela Montero stellte mit der Rhapsodie über moldawische Themen ein nur selten erklingendes Werk des polnischen Komponisten Mieczysław Weinberg vor. Das Dirigat übernahm Mirga Gražinytė-Tyla, die aktuell als Nachfolgerin von Andris Nelsons beim City of Birgminham Symphony Orchestra für wahre Begeisterungsstürme bei Publikum und Kritik sorgt. Was am Freitag (30.) in der kleinsten der drei Berliner Opern passierte, war ebenso überraschend wie verzweifelt und tief berührend.
Es gibt viele Möglichkeiten, das Schweigen anlässlich der seit vier Jahren anhaltenden venezolanischen Tragödie zu brechen. Laut Montero wollte sie zusammen mit dem Orchester Tschaikowskys Klavierkonzert Nr. 1 eröffnen, als zu ihrer Überraschung zwei Venezolaner (Mann und Frau) in der ersten Reihe von ihren Sitzen aufstanden und die venezolanische Nationalhymne sangen. Die Pianistin und Komponistin war fassungslos und bewunderte den Mut dieser beiden Menschen, die das Schweigen und die heilige Aura in diesem Tempel der klassischen Musik brachen.
Die beiden Venezolaner haben alles verloren und leiden unendlich an den Schikanen, unter denen ihre Familien in Venezuela zu leiden haben. Die Konzertbesucher hatten alle Aufmerksamkeit auf die ersten Töne der Musik konzentriert und der Unterbruch war eine perfekte Gelegenheit, dem Publikum die venezolanischen Tragödie nahe zu bringen und die Welt aus ihrer Selbstzufriedenheit zu wecken. Unter den Konzertbesuchern befand sich auch der Pianist Igor Levit. Auf seiner Facebookseite beschreibt er den besonderen Augenblick und spricht von einem „Gänsehautmoment“.
Nach ein paar Minuten begann Mirga das Konzert und Montero spielte am Klavier nach eigenen Worten die zerreisendste Interpretation, die sie je gegeben hatte. Nach dem Applaus nahm sie das Mikrofon in die Hand, setzte sich vor das Publikum und erklärte, was gerade in ihrem Heimatland passiert.
„Ich will erklären, was soeben passiert ist. Das Paar, das mit großem Mut unsere Nationalhymne intonierte, will die Welt daran erinnern, dass es außerhalb dieser Mauern – außerhalb der Sicherheit des Konzertsaals – viele Menschen gibt, die leiden. Venezuela leidet und durchlebt die schlimmsten Tage seiner Geschichte“, so die Künstlerin. Daraufhin habe jemand aus dem Publikum in deutscher Sprache gerufen, dass der Konzertsaal nicht der Ort für Politik sei. Die Öffentlichkeit unterstützte Montero allerdings mit Applaus und teilte dadurch mit, dass die Botschaft verstanden wurde.
Leider kein Kommentar vorhanden!