Vom 21. bis 26. April 2018 fand zum 45. Mal die Fashion Week São Paulo statt. Im Pavillon der Brasilianischen Kulturen („Pavilhão das Culturas Brasileiras“) im Ibirapuera-Stadtpark, dem größten von São Paulo, versammelten sich Star-Designer und Newcomer der lokalen Modeszene. Die Veranstaltung gilt als Pflichttermin für alle Vertreter der lateinamerikanischen Modeindustrie und ist die fünftgrößte Fashion Week weltweit. Die diesjährige Schau stand unter dem Motto „POW! Creative Explosion“, das die Transformationskraft der modischen Kreativität hervorheben sollte.
Das Highlight war diesmal eine Kollektion des Designers Gustavo Silvestre, der mit 19 Strafhäftlingen des Hochsicherheitsgefängnisses „Adriano Marry“ nahe von São Paulo im Rahmen eines sozialen Programms zusammengearbeitet hat. Das Projekt Ponto Firme („fester Punkt“) hat es sich zur Aufgabe gemacht, den kriminellen Insassen neue Perspektiven aufzuzeigen, damit sie sich später besser in die Gesellschaft reintegrieren. In einer wöchentlichen Häkelgruppe brachte der Designer persönlich den männlichen Häftlingen das Häkeln bei. So entstanden in neun Monaten Arbeit die 44 Outfits, die im April auf dem Laufsteg der Fashion Week zu sehen waren. Die Models des Projekts waren überwiegend dunkelhäutige Frauen, was einen Kontrast zu den übrigen Models darstellte. Damit wollten die Projektleiter zusätzlich zur Gleichberechtigung von Schwarzen und Homosexuellen aufrufen.
Ein weiterer Höhepunkt der Fashion Week war die Schau des Labels „Água de Coco“, die von einem Live-Konzert der Sängerin Anitta begleitet wurde. Die brasilianische Künstlerin interpretierte diverse Samba-Klassiker, um das Motto der „Água de Coco“-Modenschau, die Internationalisierung Brasiliens, in Szene zu setzen.
Trotz ihrer langen Tradition findet die südamerikanische Ausgabe der Fashion Week immer noch nicht die gleiche Beachtung wie ihre großen Schwestern in Paris, New York, Mailand und London. Dabei hat die brasilianische Mode ihren ganz eigenen Charakter und unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von den dezenten Farben und Schnitten hierzulande: Bunte Stoffe und extravagante Looks stehen exemplarisch für die Lebensfreude der Brasilianer und sind nicht nur auf den Laufstegen, sondern auch auf den Straßen zu sehen. Ein weiterer Modetrend aus Brasilien ist die Inspiration, die die beliebten Telenovelas liefern. Die Fernsehserien haben engen Kontakt zur Modewelt, und so mancher Trend ist schon der Mattscheibe entsprungen.
Das Potenzial der Fashion Week São Paulo liegt in ihrer Diversität, die nicht nur ein Land, sondern einen ganzen Kontinent repräsentiert und so für neuen Schwung in der etablierten Szene der Fashion Weeks sorgen könnte. Zurzeit fehlt dafür allerdings noch die mediale Aufmerksamkeit. Der Kreativdirektor der brasilianischen Fashion Week, Augusto Mariotti, betonte in einem Interview mit der Zeitschrift Vice, dass die Internationalisierung der Veranstaltung eine seiner wichtigsten Aufgaben sei: „Seit einigen Jahren bemühen wir uns konkret darum, Journalisten aus dem Ausland einzuladen beziehungsweise zu unterstützen, um auch mehr internationale Berichte von den Catwalks zu erzeugen.“ Es bleibt zu hoffen, dass dieses Konzept in den nächsten Jahren aufgehen wird.
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