Wenn es Nacht wird über dem Meer, begibt sich ein großer Teil der Fische zur Ruhe. Die Nachtschwärmer unter den Fischen hingegen werden dann munter. Ob sich diese gegensätzlichen Lebensstile auch in den Gehirnen der Fische niederschlagen, hat jetzt eine Gruppe von Forschern aus Japan, den USA und Deutschland untersucht. Ihre Studie zeigt, dass die Gehirnareale, die visuelle Reize verarbeiten, bei nachtaktiven Fischen kleiner sind als bei tagaktiven Fischen. „Das ist überraschend, weil solche Fische gleichzeitig oft vergrößerte Augen haben, um die Lichtausbeute zu optimieren. Obwohl ihnen eine gute Sicht anscheinend wichtig ist, wenden sie weniger Grips dafür auf, die über die Augen gewonnenen Informationen zu verarbeiten. Sie verzichten also auf etwas”, so Dan Warren, Senior-Wissenschaftler am Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum.
Um die Größe der Gehirnareale der Fische zu vermessen, fertigte die Forschergruppe dreidimensionale Scans der Gehirne tag- und nachtakiver Fische an, die das Team vor der Küste Hawaiis, Curaçaos und North Carolinas, USA, gefangen hatte. Die dabei zum Scannen eingesetzte Computertomographie ist die gleiche, die in der Medizin genutzt wird. Die Messdaten der Gehirnareale wurden anschließend mit Daten zur Evolution, Ökologie, Morphologie und Verhalten der Fische in Beziehung gesetzt.
Tagaktive Fische haben demnach insgesamt mehr Gehirngewebe, um visuelle Informationen zu verarbeiten, als nachtaktive Fische. Absoluter Spitzenreiter der tagaktiven Fische sind Plattfische, die nahe eines Riffs leben und ihre Färbung verändern, um sich den komplexen Farbmustern des Riffs anzupassen. Möglich wird dies, weil das Gehirn dieser Fische einem Hochleistungsrechner zur Verarbeitung visueller Informationen vergleichbar ist.
Wie die Studie zudem zeigt, besitzen nur nachtaktive Fische, die im uferfernen offenen Wasser auf Futtersuche gehen, ähnlich große Gehirnareale zur Verarbeitung visueller Reize wie tagaktive Fische. „Neben dem Tag- und Nachtrhythmus wird die Größe der entsprechenden/untersuchten Gehirnareale wohl auch dadurch beeinflusst, ob sich der Fisch vor Räubern in Acht nehmen muss. Deren frühzeitiges Aufspüren ist wie die Tarnung ein Beispiel für die große Bedeutung einer besseren Fähigkeit zur Verarbeitung visueller Reize“, erklärt Warren.
Nach Ansicht der Autoren sind die Studienergebnisse mit Blick auf die zunehmende Lichtverschmutzung im ufernahen Meer durch wachsende Küstenstädte besorgniserregend. Künstliches Licht beeinflußt erwiesenermaßen den Tag- und Nachtrhythmus von Tieren und verändert damit ihren Aktivitätsrhythmus. Doch genau auf den bauen die eingespielten Nahrungsnetze im Meer auf. „Viele Studien haben gezeigt, dass schnelle Veränderungen des Nahrungsnetzes häufig mit einem erheblichen Artenverlust in einem Ökosystem einhergehen. Außerdem wissen wir jetzt, dass der bisherige Tag- und Nachtrhythmus im Meer die Evolution der Fischgehirne prägte. Neben dem kurzfristigen Einfluss auf Nahrungsnetze könnte die Lichtverschmutzung daher langfristig neurologische Veränderungen bei Fischen verursachen deren Folgen nicht absehbar sind“, so Warren.
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