Vor einigen Wochen stand der Nestlé-Konzern wegen seines Palmöl-Einsatzes in Schokoriegeln wie Kitkat massiv in der Kritik. In einer ersten Reaktion trennte sich Nestlé von seinem Lieferanten Sinar Mas, der international seit Jahren wegen seiner besonders brutalen Regenwaldzerstörung am Pranger steht. Ende Mai gibt Nestlé nun die vermeintliche Wandlung vom Saulus zum Paulus bekannt. Gemeinsam mit dem neuen Partner „The Forest Trust“, einer Vereinigung von 78 Unternehmen aus Holzindustrie und -handel, hat Nestlé eine „Richtliniensatzung zur Nachhaltigkeit“ aufgestellt. Doch darin werden nur allgemeine Selbstverständlichkeiten erklärt: Plantagenbetreiber sollen sich zukünftig an lokale Gesetze halten, Regenwaldschutzgebiete sollen bewahrt bleiben, lokale Gemeinden sollen dem Plantagenbetrieb zustimmen, Torfmoore und andere Waldgebiete mit hohem CO2-Speicherwert sollen geschützt werden. In seinen Formulierungen bleibt Nestlé meist vage. Ein Beispiel: Produkte sollen nicht mehr zu Lasten von “schützenswerten Waldflächen” gehen. Was schützenswert ist, bleibt allerdings offen. Um das neue grüne Image abzurunden, verspricht Nestlé-Vorstandsvorsitzender Gerhard Berssenbrügge, dass bis Ende 2011 bereits 50 Prozent des eingesetzten Palmöls zertifiziert sein sollen, 2015 sollen es dann 100 Prozent sein.
Nestlé bezeichnet die Zerstörung des Regenwaldes als „eines der derzeit schwerwiegendsten Umweltprobleme“. Aus dieser richtigen Erkenntnis wächst eine Verantwortung. Doch Nestlé scheint diese nicht übernehmen zu wollen und die Probleme immer noch nicht begriffen zu haben: Die 320.000 Tonnen Palmöl, die der Konzern jährlich verbraucht, lassen sich weder umweltfreundlich noch sozialverträglich produzieren. Die industriellen Palmöl-Monokulturen im Regenwald zerstören das Ökosystem, ruinieren die dort lebenden Menschen und heizen das Weltklima an. Anstatt endlich vom Palmöl abzukehren und die Produktrezepturen umzustellen, hält Nestlé weiterhin an dem billigen und gesundheitsschädlichen Palmöl fest. Weil so viele Unternehmen und Branchen weltweit Palmöl einsetzen, sieht Nestlé keine Verantwortung für die Regenwaldzerstörung. Folgt man dieser Logik, wird die Regenwaldzerstörung durch Palmöl niemals gestoppt. Schuld von sich zu weisen und mit den Fingern auf andere zeigen, gehört zu den Standardreaktionen der PR-Abteilungen größer Unternehmen. Das hilft weder dem Regenwald noch erklärt es, warum Unternehmen unbedingt am Palmöl festhalten.
Einige Hersteller haben bereits umgedacht. Der amerikanische Mars-Konzern (jährlicher Palmölverbrauch: 92.000 Tonnen) verzichtet in seinen drei wichtigsten Schokoriegeln Mars, Snickers und Milky Way auf Palmöl. Mars zeigt, dass es Alternativen zum Einsatz von Palmöl gibt – anders als Unternehmen sonst häufig behaupten. Warum arbeitet Nestlé nicht an solchen Lösungen? Jeder Biss in Nestlés Kitkat-Schokoriegel zerstört unwiederbringlich ein einzigartiges Ökosystem und den Lebensraum der Orang-Utans – sei es nun mit zertifiziertem oder nicht-zertifiziertem Palmöl. Denn die Realität beweist: Zertifikate versprechen (genauso wie die Nachhaltigkeitssatzung von Nestlé) alles, aber in der Praxis bleiben sie beim Schutz des Regenwaldes wirkungslos.
Aufgrund der internationalen Proteststürme über die fehlende Verträglichkeit der Ölpalmenplantagen für Mensch und Umwelt – nicht nur in Papua-Neuguinea, sondern auch in Indonesien, Malaysia, Laos, Uganda, Peru, Ecuador, Kolumbien, Guatemala oder Mexico – entschied die Weltbank bereits Ende 2009, die Finanzierung des Palmanbaus einzufrieren und ordnete eine Prüfung durch den Ombudsmann der International Finance Corporation IFC der Weltbank an.