Massive Desinformation in sozialen Netzwerken, Vorwürfe der Manipulation der Wählerschaft und der illegalen Finanzierung des Versands von Millionen von Botschaften zur Verunglimpfung des Gegners: Im letzten Teil der Präsidentschaftswahlen in Brasilien wird im Internet ein gnadenloser Krieg ohne Schonung des Gegners geführt. Die Bundespolizei „Policia Federal“ (PF) untersucht die Verbreitung falscher Informationen gegen die beiden Konkurrenten der zweiten Runde: den Ultrarechten Jair Messias Bolsonaro und seinen Gegner Fernando Haddad von der linken Arbeiterpartei.
Das wichtigste Schlachtfeld dieses Online-Krieges findet über „WhatsApp“, den Instant Messaging-Dienst von „Facebook“ statt. Im größten Land Lateinamerikas hat das mobile Anwendungsprogramm rund 120 Millionen Nutzer. Die Zeitung „Folha de S. Paulo“ hat kürzlich bekannt gegeben, dass mehrere Unternehmen den Versand von Hunderten von Millionen von Nachrichten gegen Haddad finanziert haben. Die Unternehmen hätten „Pakete“ für den Versand von Nachrichten an Kontakte von digitalen Marketingagenturen zu einem Preis von bis zu 12 Millionen Reais pro Vertrag (3,24 Millionen US-Dollar zum aktuellen Wechselkurs) abgeschlossen. Als Reaktion auf den Skandal kündigte „Whatsapp“ die Sperrung von rund 100.000 Konten an.
Als Ergebnis dieser Enthüllungen empfahlen Fachleute, die Grenze der Weiterleitung – die in Brasilien bereits von 250 auf 20 reduziert wurde – zu senken, um die massive Verbreitung von Propaganda und falschen Nachrichten zu vermeiden. Das Unternehmen gab allerdings bekannt, dass es nicht beabsichtigt diese Obergrenze vorerst zu ändern. Die Wahljustiz leitete auf Antrag der Haddad’schen Arbeiterpartei (PT) eine Untersuchung ein. Bolsonaro leugnet kategorisch jede Verwicklung und drohte sogar der Tageszeitung damit, im Falle seiner Wahl die Ressourcen der offiziellen Werbung drastisch zu reduzieren.
Für Jaques Wagner, ehemaliger PT-Minister und derzeitiger Haddad-Kampagnenleiter, sollte das, was derzeit in Brasilien mit den sozialen Netzwerken geschieht, als „Lektion für die Demokratie in der ganzen Welt“ dienen. „Heute sehen wir es in der Politik, morgen kann es uns in einen Handelskrieg ziehen und Unternehmen zerstören (….), es ist ein neues Werkzeug, das sämtliche Grenzen überschreitet“.
Das Potenzial der sozialen Netzwerke das Ergebnis der Wahlen in Brasilien zu beeinflussen, weckt Erinnerungen über den Missbrauch der persönlichen Daten von Facebook-Nutzern während der Wahl von Donald Trump und des Referendums über den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union (Brexit) im Jahr 2016. „Facebook“, dessen Ruf inzwischen stark geschädigt ist, kündigte am Montag (22.) die Schließung von 68 Seiten und 43 Konten im Zusammenhang mit der brasilianischen Marketinggruppe „Raposo Fernandes Associados“ an, die über falsche Konten für die Verbreitung von „Fake-News“ gesorgt hat.
Nahema Marchal, Mitautorin einer Studie der Oxford University, warnt davor, dass es „extrem schwierig ist einen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zwischen dem, was Menschen im Internet sehen und der Art und Weise, wie sie wählen, herzustellen“ und dass „jede Wahl anders ist“. Aber „die Forschung zeigt, dass in sozialen Netzwerken Desinformations- und Verschwörunginhalte schneller zirkulieren als Sachinformationen“, vor allem, weil Online-Inhalte „eher emotional aufgeladen sind“.
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