Im Jahr 1891 verankerte die brasilianische Regierung den Beschluss für den Bau einer neuen Hauptstadt in der Verfassung. Mitten im dünn besiedelten Hochland wurde eine neue Großstadt aus dem Boden gestampft – Brasília. Das Planungs- und Gestaltungswunder löste am 21. April 1960 Rio de Janeiro als Hauptstadt ab und galt zu dieser Zeit als Stadt der Zukunft. Diesen Sonntag (21.) feiert die Hauptstadt von Brasilien ihren 59. Geburtstag und ist inzwischen zu einer „typischen/gewöhnlichen“ brasilianischen Metropole geworden. Weniger Freiheit aufgrund der eingeschränkten Sicherheit ist ein Indikator dafür, dass Brasília in der Realität angekommen ist. Laut der vom Institut für angewandte Wirtschaftsforschung (IPEA) erstellten Karte der Gewalt lag die Zahl der Tötungsdelikte und gewaltsame Todesfälle mit unbestimmter Ursache im Jahr 2018 bei 26,5 Fälle pro 100.000 Einwohner – höher als in São Paulo (14,9), Florianópolis (18) und Vitória (23,1).
Für den Urbanisten und Professor José Carlos Coutinho hat die ausartende Gewalt mit der sozioökonomischen Ungleichheit zwischen dem einstigen Pilotplan und der aktuellen Situation im Bundesdistrikt und in der Kernstadt (Verwaltungsregion Plano Piloto) zu tun. „Wir haben in Brasília die Konzentration des höchsten Pro- Kopf-Einkommens des Landes in Elite-Zonen pervertiert, umgeben von einer Peripherie, in der es keine anständigen Lebensbedingungen gibt“. Nach seinen Worten schafft das Umfeld der sogenannten „Fantasie-Insel“ diesen Kontrast, der von elektrischen Zäunen, hohen Mauern und Stacheldraht geprägt ist. „Brasília wurde gesund geboren – ein schönes rosiges Baby, das mit dem Wachstum allerdings das Gesicht seines Vaters bekam. In Brasília herrschen heute die gleichen Widersprüche, Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten wie im ganzen Land. Brasília kann sich nicht mehr vom Rest Brasiliens unterscheiden“, ergänzt der Urbanist.
Aktuelle Daten belegen, dass das Pro-Kopf-Einkommen in der vom Distrito Federal do Brasil (Bundesdistrikt) und Distrito Federal e Entorno gebildeten Metropolregion zwischen 2000 und 2010 um 41,88 Prozent gestiegen ist. Der Anteil der Armut fiel von 17 auf 7,2 Prozent und die extreme Armut von 5,21 auf 1,96 Prozent. Der Gini-Index, der die Ungleichheit misst, variierte jedoch wenig und lag im Jahr 2000 bei 0,65 und 2010 bei 0,64 (der Index reicht von null bis eins). Demnach bilden 401.000 Bewohner eine Elite-Schicht und verfügen über ein durchschnittliches monatliches Haushaltseinkommen von 15.600 Reais (1 US-Dollar entspricht 3,94 Reais). 922.000 haben ein durchschnittliches Haushaltseinkommen von 7.300 Reais und 1,2 Millionen bewegen sich in einem finanziellen Korridor von 3.000 Reais. 307.000 müssen mit rund 2.400 Reias im Monat zurechtkommen.
Angesichts steigender Lebenskosten (Miete, Lebensmittelpreise) birgt die Zukunft viele Unsicherheiten. Brasília wird nach Ansicht von Stadtplanern ein historisches Zentrum sein, welches auf allen Seiten von Armut umgeben ist.
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