Die Staatsanwaltschaft Krefeld hat das gegen den Beschuldigten Hartmut H. im August 2011 eingeleitete Ermittlungsverfahren 3 Js 753/11, in dem Tatvorwürfen geprüft worden sind, die im Zusammenhang mit seiner Zugehörigkeit zu der Colonia Dignidad in Chile gegen ihn erhoben worden waren, eingestellt. Nach umfangreichen und langwierigen Ermittlungen, die in Kooperation mit den chilenischen Strafverfolgungsbehörden geführt worden sind, konnte nach Ausschöpfung aller erfolgversprechender Ermittlungsansätze ein für eine Anklageerhebung erforderlicher hinreichender Tatverdacht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet werden.
Der Vorwurf an der Tötung von drei im Mai 1976 in Chile verschwundenen oppositionellen Studenten beteiligt gewesen zu sein, hat keine Bestätigung gefunden. Der Beschuldigte selbst hat den Vorwurf bestritten. Weder die Auswertung der Unterlagen aus den insoweit parallel in Chile gegen den Beschuldigten und andere geführten Verfahren noch der Inhalt der im Rahmen einer Delegationsreise nach Chile im April 2018 erstmals für die Staatsanwaltschaft zugänglich gewordenen Unterlagen aus dem internen Geheimarchiv der Colonia Dignidad waren geeignet, diese Einlassung zu widerlegen. Obwohl nach den allgemein bekannten zeitgeschichtlichen Erkenntnisse davon auszugehen sein dürfte, dass die Geschädigten aufgrund ihrer politischen Gegnerschaft zum Pinochet-Regime 1976 entführt und nachfolgend getötet wurden, konnten weder die in Chile durchgeführten Verfahren noch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Krefeld klären, wann genau, wo und durch welche Personen die mutmaßlichen Tötungshandlungen begangen worden sind. Dieses Ergebnis steht auch nicht im Widerspruch zu den Aufklärungsbemühungen der chilenischen Strafjustiz. Auch in dem dort im Zusammenhang mit dem Verschwinden dieser Studenten geführten Strafverfahren ist es zu keiner rechtskräftigen Verurteilung von (anderen) Angehörigen der
ehemaligen Colonia Dignidad gekommen.
Weiterer Gegenstand der Prüfung war der Vorwurf, der Beschuldigte habe in strafbarer Weise Beihilfe zu in den Jahren von 1993 bis 1997 begangenen Sexualstraftaten des zwischenzeitlich verstorbenen Leiters der Colonia Dignidad – Paul Schäfer – zum Nachteil chilenischer Kinder geleistet. Hinsichtlich der insoweit noch nicht der Verjährung unterliegenden Taten zum Nachteil von sechs seinerzeit minderjährigen Geschädigten haben sich weder aus den in Chile geführten Strafverfahren noch aus den im Wege der Rechtshilfe durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen noch im Übrigen belastbare Umstände ergeben, die einen hinreichenden Tatverdacht gegen den – jedwede Tatbeteiligung bestreitenden – Beschuldigten begründen könnten.
Soweit der Beschuldigte durch Urteil des Obersten Gerichtshofs in Santiago im Januar 2013 in Abwesenheit rechtskräftig „als Gehilfe von Paul Schäfer Schneider in Fällen der Vergewaltigung Minderjähriger unter 12 Jahren und des strafbaren sexuellen Missbrauchs“ verurteilt worden ist, reichten die chilenischen Urteilsfeststellungen nicht aus, um eine nach deutschem Recht strafbare Beihilfe des Beschuldigten zu den Straftaten Paul Schäfers zu belegen. Ebenso wenig ist, wie das Oberlandesgericht Düsseldorf in seinem im Strafvollstreckungsübernahmeverfahren bezüglich dieses Urteils ergangenen Beschluss vom 20. September 2018 (III-3 AR 158/17) ausgeführt hat, eine Zurechnung der Taten Paul Schäfers allein aufgrund der Stellung des Beschuldigten innerhalb der Colonia Dignidad möglich.
Zudem haben sich aus den chilenischen Ermittlungsergebnissen keine Erkenntnisse oder Beweismittel ergeben, die in einer den Anforderungen des deutschen Straf- und Strafverfahrensrechts genügenden Weise geeignet sind, den Beschuldigten zu überführen. Keiner der geschädigten chilenischen Minderjährigen hat eine nach deutschem Recht strafbare Beteiligung des Beschuldigten an den sexuellen Übergriffen bezeugt. Auch den Angaben der weiteren hierzu vernommenen Zeuginnen und Zeugen konnten den Beschuldigten konkret belastende Umstände nicht entnommen werden. Letztendlich haben auch die – teilweise im Rahmen der Reise nach Chile im April 2018 in Anwesenheit eines deutschen Staatsanwalts – erfolgten ergänzenden richterlichen Vernehmungen der Geschädigten keine weitergehenden Erkenntnisse erbracht. Weitere erfolgversprechende Ermittlungsansätze sind nicht mehr vorhanden.
Der weitere verfahrensgegenständliche Vorwurf, der Beschuldigten habe sich der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 StGB dadurch strafbar gemacht, dass er Geschädigten bis zum Jahre 2002 über Jahrzehnte hinweg Psychopharmaka ohne medizinische Indikation zwangsweise verabreicht habe, hat ebenfalls keine Bestätigung gefunden. Soweit etwaige Taten in Deutschland nicht bereits verjährt und daher überhaupt noch verfolgbar waren, konnte nicht in einer den Beweisführungsanforderungen des deutschen Strafrechts genügenden Weise festgestellt werden, dass etwaige Behandlungen des Beschuldigten rechtswidrig erfolgt wären. Der Beschuldigte hat in Abrede gestellt, Psychopharmaka ohne entsprechende Notwendigkeit verabreicht zu haben. Die in dem Ermittlungsverfahren vernommenen Zeuginnen und Zeugen haben eine medizinisch nicht gebotene Medikation durch ihn ebenfalls nicht bezeugt. Die chilenischen Behörden haben mitgeteilt, dort sei ein Verfahren gegen den Beschuldigten im Zusammenhang mit der Verabreichung von Psychopharmaka nicht geführt worden. Weitere erfolgversprechende Ermittlungsansätze sind nicht vorhanden.
Auch der gegen den Beschuldigten im Zusammenhang mit einem Unfall eines Anzeigenersatters im Februar 2002 erhobene Vorwurf, er habe dessen auswärtigen behandelnden Ärzten bewusst die vorangegangene Medikation mit Psychopharmaka verschwiegen und ihn dadurch in einem chilenischen Krankenhaus in akute Lebensgefahr gebracht, konnte durch die Ermittlungen nach Auswertung der über die chilenischen Behörden erlangten Behandlungsunterlagen nicht bestätigt werden. Zureichende tatsächliche Anhaltspunkte oder sonstige Beweismittel für weitere, in nicht rechtsverjährter Zeit begangene, Straftaten des ehemaligen Beschuldigten haben sich im Rahmen der durchgeführten Ermittlungen nicht ergeben. Daher waren die Ermittlungen nunmehr nach über siebeneinhalbjähriger Dauer insgesamt einzustellen.
Presseerklärung
Leider kein Kommentar vorhanden!