Aufgrund der sich weiter verschlechternden humanitären, politischen und wirtschaftlichen Situation haben inzwischen mehr als vier Millionen Venezolaner ihr Heimatland verlassen. Damit handelt es sich laut der UNO-Flüchtlingshilfe um eine der größten Flucht- und Migrationsbewegungen weltweit und um den größten Exodus in der Geschichte Lateinamerikas. Nach offiziellen Angaben der Behörden leben alleine in der brasilianischen Grenzstadt Boa Vista 32.000 venezolanische Flüchtlinge. Die Hauptstadt des Bundesstaates Roraima hat lediglich 375.000 Einwohner, fast zehn Prozent sind venezolanische Flüchtlinge. Dies führt zu chaotischen Verhältnissen, die Notleidenden aus dem einst reichsten und von einer Diktatur ausgeplünderten Land sind zunehmender Fremdenfeindlichkeit ausgesetzt.
Brasilien hat landesweit 168.000 Flüchtlinge aus dem Nachbarland aufgenommen. In Roirama, dem bevölkerungsärmsten der 27 Bundesstaaten von Brasilien, leben nach Angaben der Landesregierung mindestens 60.000 von ihnen. Da die dreizehn in Boa Vista bereitgestellten Notunterkünfte mit 6.500 Venezolanern bereits hoffnungslos überfüllt sind, lebt ein Großteil mitten in der Regenzeit auf den Straßen und in ausgebrannten Bussen. Die Flüchtlinge haben inzwischen mindestens zehn verlassene öffentliche Gebäude besetzt, die Spannungen/Auseinandersetzungen mit der einheimischen Bevölkerung nehmen täglich zu. Boa Vista ist ein neues Symbol für die Krise, die durch die Massenankunft der Venezolaner an der brasilianischen Grenze ausgelöst wurde.
„Die Arbeitslosenquote ist in den letzten zwei Jahren von acht auf sechzehn Prozent gestiegen und hat ein Trauma für die Wirtschaft von Roraima verursacht. Im Bildungsbereich lernen mehr als 5.000 venezolanische Kinder im staatlichen Schulnetz. Im Gesundheitsbereich sind fünfzig Prozent der Krankenhausbetten von venezolanischen Flüchtlingen belegt“, erklärt Gouverneur Antonio Denarium (PSL). „Die Lage ist äußerst prekär und täglich kommen neue Flüchtlinge. Es gibt Hunderte von Kindern, Jugendlichen und älteren Menschen. Sie leben in ärmsten Verhältnissen, teilen sich ein Zimmer und hinterlassen Tonnen von Müll“, fügt er hinzu.
Das brasilianische TV hat eine Reportage ausgestrahlt, die unglaubliche Szenen zeigt. In einem kleinen Raum leben elf Personen zusammen, darunter zwei schwangere Frauen. Einer der Bewohner leidet unter Fieber und mehrere Mitbewohner berichten, dass bei einem 2-jährigen Jungen im selben Gebäude Tuberkulose diagnostiziert wurde. „Meine Schwangerschaft birgt ein hohes Risiko und ich weiß nicht einmal wie es meinem Baby geht. Ich habe kein Geld, um eine Schwangerschaftsuntersuchung durchführen zu lassen“, klagt Jessena Piñedo (30), die zusammen mit ihren zwei anderen Kindern im Alter von sechs und vier Jahren in einer erbärmlichen Behausung lebt.
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