Etwa zehn Prozent der Weltbevölkerung tragen sich laut Umfragen mit dem Gedanken daran, in ein anderes Land zu ziehen. Besonders hoch ist der Anteil in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara, aber auch in Lateinamerika und der Region Nordafrika/Naher Osten. „Nur ein Bruchteil dieser Menschen trifft aber konkrete Vorbereitungen für eine Wanderung und noch weniger machen sich schlussendlich auf den Weg“, so Reiner Klingholz, Direktor der Berlin-Instituts. Ein Grund dafür sind fehlende finanzielle Mittel und Informationen, die es braucht, damit die Menschen eine Migration überhaupt organisieren können. Tatsächlich lebten 2017 etwa 258 Millionen Menschen außerhalb ihres Heimatlandes, was 3,4 Prozent der Weltbevölkerung entspricht.
Angesichts der demografischen Entwicklung der EU wäre mehr Zuwanderung durchaus wünschenswert. Denn überall führen niedrige Geburtenzahlen und eine steigende Lebenserwartung dazu, dass die Erwerbsbevölkerung mittelfristig kleiner wird. Bis 2030 dürfte die Gruppe der 20- bis 64-Jährigen EU-weit um sieben Prozent schrumpfen. Trotzdem schafft es die Union bislang nicht, eine gemeinsame Migrationspolitik zu entwickeln. Grundlage einer solchen Politik wäre ein möglichst genaues Bild der aktuellen Situation und Wissen über die wesentlichen Einflussgrößen für Migration, um daraus Migrationspotenziale abschätzen zu können. Genau dies versucht das Berlin-Institut mit der Studie zu liefern.
Ob Menschen sich dazu entschließen, ihren Migrationswunsch in die Tat umzusetzen, hängt von vielen Faktoren ab. Wie stark die Bevölkerung in einem Land wächst, hat ebenso einen Einfluss wie die politische Lage oder die Einkommensmöglichkeiten und Berufschancen. Umweltveränderungen wie der Klimawandel befördern Migration gleichermaßen wie bessere Bildung und bestehende Netzwerke zwischen Herkunfts- und Zielländern. Auch die Migrationspolitik der Zielländer wirkt als Faktor.
Je nach Weltregion unterscheidet sich, welche Einflussgrößen sich besonders stark auf das Wanderungspotenzial auswirken. In Subsahara-Afrika dürfte sich das Migrationspotenzial deutlich erhöhen – wegen des anhaltenden Bevölkerungswachstums, welches Verteilungskonflikte verschärft, aber auch weil sich viele Länder in Sachen Bildung und Einkommen entwickeln und damit mehr Menschen in die Lage versetzen, eine Migration zu organisieren. Auch wenn die meisten von ihnen nur in Nachbarländer wandern, wo sie sich bessere Lebensbedingungen oder ein sicheres Einkommen erhoffen, wird die EU das Wunschziel vieler Menschen aus Subsahara-Afrika bleiben, allein schon aufgrund des enormen Wohlstandsgefälles zwischen beiden Regionen.
In Ost- und Südostasien hingegen haben Wirtschaftswachstum und höhere Bildung neue Perspektiven für die Menschen geschaffen, so dass zum einen das Bevölkerungswachstum ausklingt und sich zum anderen in vielen Ländern selbst ein Zuwanderungsbedarf entwickelt. Die Bevölkerung in Ländern wie Japan, Südkorea oder China altert ähnlich wie in Europa, so dass die Abwanderungswahrscheinlichkeit sinkt. Wer dennoch über die eigene Region hinaus wandert, entscheidet sich eher für Nordamerika oder Australien als für die EU.
Die Studie „Europa als Ziel? Die Zukunft der globalen Migration“ untersucht die wichtigsten Faktoren für Subsahara-Afrika, die Region Nordafrika/Naher Osten, Südasien, Ost- und Südostasien, den postsowjetischen Raum sowie Lateinamerika und die Karibik. „Die Studie soll klar machen, wo sich ein erhöhter Wanderungsdruck entwickelt, aber auch woher Europa in Zukunft die dringend benötigten Fachkräfte für seine Unternehmen rekrutieren kann“, so Berlin-Institut Direktor Reiner Klingholz.
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