Zitrusfrüchte, Kaffee und Avocados: Das Essen auf unseren Tischen ist in den vergangenen Jahrzehnten immer abwechslungsreicher geworden. Für die Landwirtschaft gilt das aber nicht. Weltweit gibt es mehr Monokulturen, die dazu auch immer größere Flächen in Anspruch nehmen. Gleichzeitig sind viele der angebauten Nutzpflanzen von Bestäubern abhängig. Das sorgt dafür, dass die Ernährungssicherheit immer stärker bedroht ist, wie ein Forscherteam unter Beteiligung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) in der Fachzeitschrift „Global Change Biology“ schreibt. Für die Studie untersuchten die Wissenschaftler die weltweite Entwicklung der Landwirtschaft der vergangenen 50 Jahre.
Die Forscher analysierten die Daten der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) zum Anbau von Feldfrüchten im Zeitraum von 1961 bis 2016. Bei der Auswertung zeigte sich nicht nur, dass weltweit immer mehr Flächen für die Landwirtschaft benutzt werden. Gleichzeitig nahm auch die Vielfalt der angebauten Feldfrüchte ab. Mittlerweile sind 16 von den 20 am schnellsten wachsenden Feldfrüchten auf eine Bestäubung durch Insekten oder andere Tiere angewiesen. „Erst vor wenigen Monaten hat der Weltbiodiversitätsrat IPBES der Welt gezeigt, dass bis zu einer Million Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht sind, darunter sind auch viele Bestäuber“, sagt der Biologe Prof. Dr. Robert Paxton von der MLU, der einer der Autoren der neuen Studie ist. Das betrifft Bienen in besonderem Maße: Honigbienen sind immer stärker von Krankheitserregern und etwa Pestiziden bedroht, der Bestand an Wildbienen ist weltweit seit Jahrzehnten rückläufig.
Weniger Bestäuber könnten bedeuten, dass die Ernte komplett oder zumindest deutlich geringer ausfällt. Allerdings trifft das nicht auf alle Länder gleichermaßen zu. Auf der Grundlage der FAO-Daten erstellten die Forscher unter anderem eine Weltkarte, die das Risiko für Ernteausfälle geografisch darstellt. „Besonders betroffen wären demnach die Schwellen- und Entwicklungsländer der Welt in Südamerika, Afrika und Asien“, sagt Prof. Dr. Marcelo Aizen vom Nationalen Rat für wissenschaftliche und technologische Forschung CONICET in Argentinien, der die Studie geleitet hat. Das sei nicht verwunderlich, da gerade in diesen Regionen massenhaft Monokulturen für den globalen Markt angebaut werden. Soja wird etwa in vielen Ländern Südamerikas produziert und anschließend als Rinderfutter nach Europa exportiert. „Weltweit ist der Sojaanbau um rund 30 Prozent pro Jahrzehnt gestiegen. Das ist doppelt problematisch, weil für die Sojafelder zahlreiche natürliche und naturnahe Habitate, einschließlich tropische und subtropische Wälder und Wiesen, zerstört wurden“, sagt Aizen weiter.
Mit einer nachhaltigen Landwirtschaft, die die Ernährungssicherheit einer wachsenden Weltbevölkerung im Blick hat, habe die aktuelle Entwicklung wenig zu tun, so die Autoren. Zudem tragen vor allem die armen Regionen der Welt das größte Risiko. Allerdings wären die Folgen eines Ernteausfalls weltweit spürbar: „Die betroffenen Regionen produzieren vor allem für die reichen Industrienationen. Fällt in den Ursprungsländern zum Beispiel die Avocado-Ernte aus, könnten auch die Menschen in Deutschland oder anderen Industrienationen keine mehr kaufen“, sagt Robert Paxton, der auch Mitglied des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig ist.
Die Forscher plädieren für eine Trendwende: So müsste darauf geachtet werden, die Landwirtschaft weltweit wieder zu diversifizieren und ökologischer zu gestalten. Das heißt zum Beispiel, dass in den besonders anfälligen Ländern landwirtschaftliche Betriebe kleinere Flächen mit unterschiedlichen Feldfrüchten bestellen sollten. Zudem müssten Landwirte weltweit Anbauflächen naturnaher gestalten, etwa durch extra angelegte Blühstreifen, Hecken und weitere Nistmöglichkeiten neben den Feldern. So ließe sich sicherstellen, dass es genügend angemessenen Lebensraum für Insekten gibt, die letztlich für eine nachhaltige und produktive Landwirtschaft notwendig sind.
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