Ein Jahr nach Dammbruch bei Brumadinho

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272 Menschen wurden getötet, die Natur zerstört und das Trinkwasser verseucht, als der Damm am 25. Januar 2019 brach (Foto: TVGlobo)
Datum: 23. Januar 2020
Uhrzeit: 11:57 Uhr
Ressorts: Brasilien, Panorama
Leserecho: 0 Kommentare
Autor: Redaktion
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Das deutsche Zertifizierungsunternehmen TÜV SÜD bestreitet weiterhin jegliche Mitverantwortung für den tödlichen Dammbruch in einer Eisenerzmine bei Brumadinho (Brasilien). 272 Menschen wurden getötet, die Natur zerstört und das Trinkwasser verseucht, als der Damm am 25. Januar 2019 brach. Vier Monate zuvor hatte TÜV SÜD im Auftrag des Minenbetreibers Vale S.A. die Stabilität des Dammes bestätigt. Die brasilianischen Betroffenen hatten im Oktober 2019 in München Strafanzeige gegen TÜV SÜD eingereicht. Nun hat die brasilianische Staatsanwaltschaft TÜV SÜD und Vale wegen Umweltverbrechen angeklagt. 16 Mitarbeiter der Unternehmen wird zudem Mord vorgeworfen, darunter auch einem deutschen Manager von TÜV SÜD. Trotz der Anklage in Brasilien muss die Staatsanwaltschaft München ihre Ermittlungen fortsetzen, um die deutsche Mitverantwortung vollständig aufzuklären.

„Seit einem Jahr schieben sich TÜV SÜD und Vale gegenseitig die Schuld am Dammbruch zu. Ich bin überzeugt, der Tod meines Vaters und der 271 anderen hätte verhindert werden können. Dank unserer Strafanzeige ermittelt auch die Staatsanwaltschaft München zur Rolle von TÜV SÜD. Ich hoffe, dass bald alle Betroffenen Gerechtigkeit erlangen. Eine menschengemachte Katastrophe wie diese darf sich nicht wiederholen“, sagt Marcela Nayara Rodrigues. Wie die meisten der Toten war ihr Vater Mitarbeiter von Vale.

Rodrigues und vier weitere Betroffene reichten die Strafanzeige gemeinsam mit dem ECCHR und MISEREOR ein. Der Vorwurf gegen TÜV SÜD und einen Mitarbeiter lautet unter anderem: fahrlässige Tötung. Die Anzeige wurde mit den Nichtregierungsorganisationen Articulação International de Atingidas e Atingidos Pela Vale und Associação Comunitária da Jangada erarbeitet, die auch die brasilianischen Behörden bei den Ermittlungen zum Dammbruch unterstützen.

Die Betroffenen fordern von Deutschland aber auch politische Folgen: Sie unterstützen die Initiative Lieferkettengesetz, die von der Bundesregierung ein Gesetz zur menschenrechtlichen Sorgfalt fordert. Damit sollen Unternehmen künftig für Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden haftbar gemacht werden können.

„Meine Schwester und viele andere haben für den Profit von Vale und TÜV SÜD mit ihrem Leben bezahlt“, sagt Angélica Amanda Andrade, deren Schwester bei dem Dammbruch getötet wurde. „Globale Unternehmen dürfen nicht länger Gewinne auf Kosten der Menschenrechte und der Umwelt machen. Gäbe es in Deutschland ein gutes Lieferkettengesetz, wären Unternehmen endlich verpflichtet, so zu wirtschaften, dass sie Mensch und Natur nicht gefährden.“

Nach Erkenntnissen des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und MISEREOR wiesen Ingenieure des brasilianischen Tochterunternehmens von TÜV SÜD bereits im Frühjahr 2018 auf Entwässerungsprobleme am Damm hin – stellten aber dennoch im September 2018 die Stabilitätserklärung aus. Das System der privatisierten Sicherheitszertifizierungen ist hoch umstritten, denn es ermöglicht den Unternehmen eine Flucht aus der Verantwortlichkeit. Auch Vale beruft sich auf die Stabilitätserklärung und weist so jede Mitverantwortung für den Dammbruch von sich.

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