Die Partnerschaft zwischen dem Kanton Schaffhausen und der Stadt Joinville hat einen historischen Hintergrund: Joinville wurde vor rund 165 Jahren von Armuts-Emigrantinnen und -Emigranten aus dem Kanton Schaffhausen mitgegründet. Eine Delegation unter Führung von Regierungspräsident Martin Kessler folgt einer Einladung des Bürgermeisters von Joinville und besucht nächste Woche zur Fortführung und Weiterentwicklung der Partnerschaft die brasilianische Stadt. Nachdem das letzte Umsetzungsprogramm im Beisein einer Delegation aus Joinville im Juni 2016 in Schaffhausen unterzeichnet wurde, wird nun das neue Umsetzungsprogramm 2020–2023 turnusgemäss in Joinville unterzeichnet.
Der Kanton Schaffhausen pflegt vor dem Hintergrund der gemeinsamen Geschichte seit 2008 eine Partnerschaft mit der Stadt Joinville im Südosten Brasiliens. Gemäss Kooperationsvereinbarung legen die Partner alle vier Jahre die Schwerpunkte und Prioritäten der Zusammenarbeit fest und konkretisieren diese im Rahmen eines Umsetzungsprogramms, das inhaltlich vom privaten Verein «Partnerschaft Schaffhausen-Joinville (PSJ)» zusammen mit dem Partnerkomitee in Joinville erarbeitet wird. Nachdem das dritte Umsetzungsprogramm per Ende 2019 ausgelaufen ist, wird mit der Unterzeichnung des neuen Umsetzungsprogramms 2020–2023 die Partnerschaft mit der Stadt ein drittes Mal verlängert und weiterentwickelt.
Grund und Inhalt der Delegationsreise
Nachdem eine Delegation aus Joinville für die Unterzeichnung des dritten Umsetzungsprogramms 2016 Schaffhausen besucht hatte, hat der Bürgermeister von Joinville, Dr. Udo Döhler, eine Schaffhauser Delegation zur Unterzeichnung des vierten Umsetzungsprogramms nach Joinville eingeladen. Die Delegation besteht aus den folgenden Personen: Martin Kessler, Regierungspräsident (Leitung); Peter Neukomm, Stadtpräsident Schaffhausen; Jeanette Grüninger (Präsidentin Verein PSJ), Peter Baumer, Markus Müller, Willi Bächtold (Vorstandsmitglieder Verein PSJ) sowie Emanuel Gyger (Leiter Koordinationsstelle für Aussenbeziehungen / Staatskanzlei). Der Besuch startet am 10. Februar 2020 in Joinville und endet am 15. Februar 2020 in Florianópolis, wo der für die Partnerstadt zuständige Honorarkonsul der Schweiz seinen Sitz hat.
Die Unterzeichnung des Umsetzungsprogramms ist im Rahmen eines Empfangs von Bürgermeister Döhler im Beisein von Mitgliedern des Partnerkomitees, dem zuständigen Honorarkonsul der Schweiz sowie dem Schweizer Generalkonsul in São Paulo vorgesehen. Zur Spurensuche der gemeinsamen Vergangenheit werden ausserdem u.a. das Schweizer Einwandererdenkmal, der Friedhof der Immigranten und das Stadtarchiv besucht, welches für die Dokumentation und Digitalisierung der Einwanderungsakten zuständig ist. Zudem sind mehrere Besuche von Firmen mit einem Bezug zur Schweiz geplant.
Umsetzungsprogramm 2020–2023
Das vierte Umsetzungsprogramm baut auf den bisherigen vier Schwerpunktthemen Kultur, Bildung und Dokumentationen, Sport sowie Wirtschaft und Umwelt auf. Zur weiteren Erschliessung der gemeinsamen Geschichte sollen u.a. Tonbandaufnahmen von Interviews mit Nachkommen der Einwanderer digitalisiert werden. Zudem sind neue Initiativen vorgesehen, um die entsprechende Auswanderungs- bzw. Einwanderungsgeschichte in den Schulunterricht beider Regionen einzubauen. Ausserdem ist ein Ausbau des Social Media-Auftritts beider Seiten geplant, sodass Informationen zu den Aktivitäten innerhalb der Partnerschaft besser verbreitet werden können.
Operativ zeichnet auf Schaffhauser Seite der Verein Partnerschaft Schaffhausen-Joinville (PSJ) für die Umsetzung verantwortlich, durch dessen Engagement mit Unterstützung des Kantons Schaffhausen und der Stadt Joinville sowie in Zusammenarbeit mit dem Partnerkomitee in Joinville bereits zahlreiche Projekte verwirklicht werden konnten. Darunter beispielsweise die Realisierung eines Films über die Auswanderungs- und Gründungsgeschichte (Titel: «Schweizerische Brasilianer – eine vergessene Geschichte»), der Auftritt der brasilianischen Bolshoi Tanzschule in Schaffhausen (2013) und der Cinevox Junior Company aus Neuhausen am Rheinfall am Tanzfestival in Joinville (2014), die Publikation der Broschüre «Schaffhausen Joinville – und zurück», die Digitalisierung von Kirchenbüchern und deren gegenseitigen Verlinkung zur Vereinfachung der Familienforschung durch das Staatsarchiv Schaffhausen und das Stadtarchiv Joinville oder der Aufenthalt und die Ausstellung des Kunstmalers Paulo Lindner aus Joinville Ende 2018 im Kammgarn West und der Schaffhauser Kunsthalle «Vebikus».
Gemeinsame Geschichte
Joinville wurde vor gut 165 Jahren von Armutsflüchtlingen aus dem Kanton Schaffhausen mitgegründet. Die wichtige Rolle der Schaffhauser Auswanderer bei der Gründung verschwand in den folgenden Jahrzehnten aus dem Bewusstsein der Stadtbevölkerung Joinvilles. Sie wurde erst durch die Forschungen des brasilianischen Historikers Dilney Cunha im Vorfeld der Feierlichkeiten zum 150. Geburtstag der Stadt im Jahr 2001 wiederentdeckt. Diese Forschungen führten zur Veröffentlichung des Buches «Das Paradies in den Sümpfen, eine Schweizer Auswanderungsgeschichte nach Brasilien im 19. Jahrhundert» (2004). Die Wiederentdeckung der gemeinsamen Wurzeln weckte das Bedürfnis nach Kontakten und dem Aufbau einer neuen Beziehung. Heute zählt Joinville ungefähr 600’000 Einwohnerinnen und Einwohner. Zuletzt war eine Delegation des Kantons Schaffhausen 2014 zu Gast in Joinville (zur Begleitung des Auftritts der Cinevox Junior Company).
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