Schon das Verschwinden eines geringen Anteils großer Tierarten könnte ausreichen, um die Leistungen von Tieren im tropischen Regenwald deutlich herabzusetzen. Zu diesem Schluss kommen Senckenberg- Wissenschaftler*innen aktuell im Fachmagain „Nature Communications“ anhand einer Studie fruchtfressender Vögel. Das Team hatte simuliert, wie sich ökologische Netzwerke zwischen Vögeln und Pflanzen zukünftig entwickeln könnten und welche Auswirkungen dies für das Ökosystem hätte. Die Autoren warnen, dass die Folgen des Aussterbens großer Tierarten unterschätzt werden.
In den tropischen Regenwäldern wird es immer leerer. Verantwortlich dafür ist nicht nur das weltweite Artensterben, auch die Anzahl der Tiere einzelner Arten sinkt durch Bejagung und Zerstückelung der Lebensräume immer weiter. Besonders hart trifft es die schweren und großen Arten – diese Tiere sind besonders empfindlich gegenüber Veränderungen und gehen überproportional stark zurück. Wissenschaftler*innen des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums zeigen, dass der Trend zu kleineren Arten schwerwiegende Folgen für das Ökosystem haben könnte.
„Dass sich die Lebensgemeinschaften im wahrsten Sinne des Wortes ‘verkleinern‘, beeinträchtigt die Leistungen, die von ökologischen Netzwerken erbracht werden, dreimal stärker als deren Stabilität. Die zuerst aussterbenden Arten sind nämlich diejenigen, die einzigartige Funktionen ausfüllen und damit den Regenwald in seiner bisherigen Form am Laufen halten,” so Dr. Isabel Donoso, Alexander-von-Humboldt-Stipendiatin und Leiterin der Studie bei Senckenberg.
Donoso und ihr Team modellierten für acht Gebiete in den Anden, welche Folgen das Aussterben großer fruchtfressender Vögel hat. Grundlage ihrer Modelle sind Daten zu den Interaktionen zwischen Vogel- und Pflanzenarten, die zuvor in den Untersuchungsgebieten in jahrelanger Kleinarbeit erhoben wurden. Als Maß für die Leistung von Vögeln im Ökosystem simulierten die Forscher*innen, wie weit die Vögel die Samen gefressener Früchte ausbreiten konnten. Samenausbreitung ist eine wesentliche Leistung für das Ökosystem, denn die meisten tropischen Baumarten sind auf Tiere zur Samenausbreitung angewiesen. Die Studie quantifiziert damit als eine der Ersten, in welchem Ausmaß Ökosystemleistungen durch das Aussterben großer Tiere beeinträchtigt würden.
„Wenn die größten 10 Prozent der fruchtfressenden Vögel aussterben würden, schrumpft die Distanz, über die die Samen ausgebreitet werden können, um fast 40 Prozent. Im Gegensatz dazu verändert sich die strukturelle Stabilität eines ökologischen Netzwerks in weitaus geringerem Maße: Die Anzahl der Interaktionen zwischen Vögeln und Pflanzen ginge lediglich um etwa 10 Prozent zurück”, konkretisiert Dr. Matthias Schleuning, Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum, den Befund der Studie.
Doch was passiert, wenn viele Baumsamen im Regenwald demnächst eher auf kurzem Weg statt auf der Langstrecke ausgebreitet werden? Die Samenausbreitung über große Strecken sorgt für den genetischen Austausch zwischen Waldstücken und erhöht damit dessen Widerstandsfähigkeit gegenüber Umweltveränderungen. Was noch wichtiger ist: Je näher ein Samen am Mutterbaum bleibt, desto geringer ist seine Chance zu keimen und zu wachsen. Da große fruchtfressende Vögel vor allem große Samen ausbreiten, dürften also vor allem Pflanzen mit solchen Samen das Nachsehen haben.
„Vermutlich werden die jetzt nachwachsenden Regenwälder anders zusammengesetzt sein als die Regenwälder von heute. Andere Studien haben bereits gezeigt, dass die Wälder der Zukunft deutlich weniger Kohlenstoff speichern könnten“, erklärt Donoso. Es wäre daher kurzsichtig, die Folgen des Aussterbens großer Tiere zu unterschätzen, appelliert Schleuning: „Wir müssen große Tierarten in Regenwäldern besser schützen. Das ist die Grundlage dafür, dass unser Klima und wir alle auch in Zukunft von der Leistung tropischer Regenwälder profitieren.“
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