Dass jedes Jahr große Mengen an Plastikmüll in die Ozeane gelangen, ist bekannt. Doch wo sie in den Meeren abbleiben, ist zum größten Teil unklar. Das am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel koordinierte Forschungsprojekt HOTMIC will in den kommenden drei Jahren Wissenslücken zum Verbleib des Plastiks in den Ozeanen schließen. Sechs europäische Länder fördern es im Rahmen der EU-Programm-Initiative „Gesunde und produktive Meere und Ozeane“ (JPI Oceans) mit insgesamt 2,3 Millionen Euro. Den deutschen Anteil übernimmt das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Die erste HOTMIC-Expedition mit dem Kieler Forschungsschiff ALKOR endete bereits in der vergangenen Woche in Kiel.
Niemand kennt die genauen Zahlen. Es gibt nur Abschätzungen, wie viel Plastikmüll jedes Jahr neu in die Ozeane gelangt. Sogar vorsichtige Studien gehen von bis zu fünf Millionen Tonnen aus. Andere Untersuchungen kommen auf bis zu 13 Millionen Tonnen. Das stellt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor ein Problem. Denn in den Meeren finden sie nur ein Bruchteil dessen, was eigentlich schon an der Wasseroberfläche treiben müsste. Wo bleibt der Rest?
Mit dieser Frage beschäftigt sich ab sofort das europäische Forschungsprojekt HOTMIC (Horizontal and vertical oceanic distribution, transport, and impact of microplastics). Insgesamt sechs europäische Länder finanzieren es im Rahmen der EU-Programm-Initiative „Gesunde und produktive Meere und Ozeane“ (JPI Oceans) über drei Jahre mit insgesamt 2,3 Millionen Euro. Geldgeber in Deutschland ist das Bundesministerium für Bildung und Forschung, die Koordination des Gesamtprojekts übernimmt das GEOMAR Helmholz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Schon vor dem offiziellen Projektstart am 1. April hat das Kieler Forschungsschiff ALKOR zwischen Anfang März und vergangener Woche entlang der europäischen Westküste Proben und Daten für HOTMIC gesammelt.
„Weniger als zehn Prozent des in den Ozean gelangenden Kunststoffs kann derzeit nachgewiesen werden“, betont Projektkoordinator Dr. Mark Lenz vom GEOMAR. Die Gründe dafür sind vielfältig. „Zum Teil liegt es sicherlich daran, dass das Plastik in winzige Mikroplastikpartikel zerfällt, die wir auf See mit heutigen Methoden nur schwer nachweisen können“, ergänzt der Meereschemiker Prof. Dr. Eric Achterberg, einer der Hauptantragsteller des Projekts. Ein weiterer Grund ist wahrscheinlich, dass die Plastikpartikel nicht an der Wasseroberfläche bleiben, obwohl die meisten Kunststoffe in Wasser schwimmen. Welche Mechanismen den Transport des Plastiks in die Tiefe kontrollieren und welche ökologischen Auswirkungen dies haben könnte, ist ebenfalls weitgehend unklar.
Das HOTMIC-Projekt will diese Wissenslücken schließen. Dafür konzentriert es sich auf den nordatlantischen Raum als Modellregion und untersucht hier die Wege des Plastiks vom Kontinent bis in den nordatlantischen Ozeanwirbel. Das Projekt berücksichtigt dabei Mikroplastik bis zu einer Größe von weniger als 10 Mikrometer und erforscht, welche physikalischen, chemischen, aber auch biologischen Prozesse bei der Plastikverteilung eine Rolle spielen. Zusätzlich wollen die Beteiligten neue Analysetechniken entwickeln, die den Nachweis von Mikroplastik vereinfachen und helfen, die Risiken dieser Schadstoffe für die Meeresumwelt zu bewerten.
Vom 5. bis 26. März war das Kieler Forschungsschiff ALKOR bereits entlang der westeuropäischen Küste unterwegs und hat vor größeren Flüssen wie der Seine, der Themse oder der Elbe, aber auch in der Straße von Gibraltar oder vor der belgischen Nordseeküste für HOTMIC Proben genommen und Daten gesammelt. „Damit decken wir den ersten Teil des Transportweges aus den Flüssen in die Küstengewässer ab“, erklärt Dr. Aaron Beck vom GEOMAR, der wissenschaftliche Fahrtleiter. „Die Proben müssen jetzt in den Heimatlaboren untersucht werden“, ergänzt er.
Das stellt das Team in Zeiten der Corona-Pandemie jedoch vor Herausforderungen, denn eigentlich sollten viele besonders empfindliche Proben gleich nach dem Einlaufen in Kiel weiter zu den Partnern in Belgien, Dänemark oder Estland transportiert werden. „Glücklicherweise haben viele Kolleginnen und Kolleginnen am GEOMAR uns spontan entsprechende Lagermöglichkeiten zur Verfügung gestellt, so dass wir die Proben hier sicher aufbewahren können, bis sich die Lage wieder normalisiert“, sagt Dr. Beck.
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