„Bolsonaro-System“ setzt auf Hetze und Desinformation

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Jair Messias Bolsonaro: Der Präsident ohne Gesundheitsbewusstsein (Foto: Archiv)
Datum: 21. Juli 2020
Uhrzeit: 14:25 Uhr
Leserecho: 3 Kommentare
Autor: Redaktion
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Während Brasilien so schwer von der Corona-Krise getroffen ist wie kaum ein anderes Land der Welt, sehen sich Journalistinnen und Journalisten mit einer beispiellosen Welle des Hasses konfrontiert. Anfang des Jahres hetzte vor allem Präsident Jair Bolsonaro selbst gegen Medienschaffende, in den vergangenen drei Monaten taten sich vor allem seine Familie, seine engsten Regierungsmitglieder und seine treue Online-Anhängerschaft hervor. Das zeigt der zweite Quartalsbericht zur Lage der Pressefreiheit in Brasilien von Reporter ohne Grenzen (RSF).

Medien als Zielscheibe des „Bolsonaro-Systems“

Das sogenannte Bolsonaro-System, also der engste Unterstützerkreis, hat seine Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten sowie Medien im Allgemeinen im zweiten Quartal 2020 noch einmal verschärft. RSF verzeichnete mindestens 21 Angriffe von Präsident Bolsonaro selbst, etwas weniger als im ersten Quartal (32 Fälle). Diesem Rückgang stehen die intensiven Aktivitäten seiner Söhne gegenüber, besonders in den sozialen Medien: Vom Stadtrat von Rio de Janeiro, Carlos Bolsonaro, gingen 43 Angriffe aus, von Senator Flavio Bolsonaro 47 Angriffe und vom Parlamentsabgeordneten Eduardo Bolsonaro 63 Angriffe. Der ehemalige Bildungsminister Abraham Weintraub (18 Angriffe) und die Ministerin für Menschenrechte, Frauen und Familie, Damares Alves (4 Angriffe), spielten ebenfalls eine wichtige Rolle bei den konzertierten Bemühungen, die Glaubwürdigkeit der führenden brasilianischen Medien zu zerstören.

Ermutigt durch diese Feindseligkeiten verschärften auch zahlreiche Anhängerinnen und Anhänger der brasilianischen Regierung ihre Aggressionen gegen die Presse. Das beste Beispiel sind die andauernden Demütigungen durch Bolsonaro-Fans vor dessen Amtssitz, dem Alvorada-Palast. Die aggressive Stimmung führte dazu, dass mehrere Medienunternehmen am 26. Mai erklärten, aus Sicherheitsgründen vorerst keine Vertreterinnen und Vertreter zu Bolsonaros Pressekonferenzen vor dem Alvorada-Palast zu schicken. RSF hat inzwischen gemeinsam mit anderen Organisationen in Brasilien eine Zivilklage eingereicht, in der bessere Sicherheitsmaßnahmen für Reporterinnen und Reporter gefordert werden, die über Auftritte des Präsidenten berichten.

Auch auf den Pro-Regierungs-Demonstrationen in den größten Städten des Landes herrscht eine große Aggressivität. Reporter der Zeitung O Estado de S. Paulo wurden am 3. Juni in Brasilia von Bolsonaro- Anhängern angegriffen. Am 20. Mai wurde im Bundesstaat Minas Gerais ein Fernsehteam des Senders TV Integraçao attackiert.

Kampf um Covid-19-Zahlen

Verärgert über die von den Medien verbreiteten Zahlen, die die alarmierende Entwicklung der Corona-Pandemie und vor allem der Todesopfer in Brasilien belegen, erteilte Präsident Bolsonaro dem Gesundheitsministerium am 5. Juni den Befehl, seine täglichen Stellungnahmen zur Pandemie um 22 Uhr anstatt zwischen 17 und 19 Uhr zu übermitteln. So können die Zahlen nicht mehr in den abendlichen Hauptnachrichten vermeldet werden. Das Gesundheitsministerium nahm anschließend alle Gesamtzahlen, die den Pandemieverlauf dokumentierten, von seiner Webseite. Als Reaktion darauf gründeten die führenden Medienunternehmen UOL, O Estado de S. Paulo, Folha de S. Paulo, O Globo, G1 und Extra am 8. Juni eine Allianz, um ihre Informationen direkt von den Behörden in den 26 Bundesstaaten und im Bundesbezirk Brasilia zu erhalten.

Am 8. Juli gab Facebook an, 35 Konten, 14 Seiten, eine Gruppe und 38 Instagram-Konten gelöscht zu haben, die Desinformation über die Corona-Pandemie verbreitet hatten. Obwohl die Verantwortlichen ihre Identität verschleiert hatten, vermutete Facebook Verbindungen zwischen diesen Konten und Mitgliedern der Sozialliberalen Partei, in der Bolsonaro bis 2019 Mitglied war, sowie seinen Söhnen Eduardo und Flavio.

Mangelnde Transparenz und Informationsfreiheit

Mit einer am 23. März unterzeichneten „einstweiligen Maßnahme“ änderte Bolsonaro das Gesetz über den Zugang zu staatlichen Informationen, setzte die Fristen für die Reaktionszeit aus und führte eine Pflicht zur Erneuerung von Informationsanfragen während der Corona-Krise ein. Das oberste Gericht hebelte diese Entscheidung am 30. April einstimmig aus. Solange die Maßnahme gültig war, wurden laut dem NGO-Verbund Forum für das Recht auf Zugang zu öffentlichen Informationen mindestens 24 Auskunftsersuchen an die brasilianische Regierung abgelehnt.

Die Bundesbehörde Controladoria-Geral da União, die für den Schutz des Staatseigentums und die Bekämpfung von Korruption zuständig ist, beschloss am 8. Juni, den Gültigkeitsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes einzuschränken. Einige Dokumente, wie Rechtsgutachten von Ministerien zur Frage, ob der Präsident ein vom Kongress verabschiedetes Gesetz unterzeichnen soll oder nicht, sind jetzt vertraulich.

Laut einer Untersuchung der Webseite Poder360 vom 15. Juni haben Ministerinnen und Minister sowie Vertreterinnen und Vertreter des Gesundheitsministeriums im Verlauf der Pandemie immer weniger Interviews über das Coronavirus gegeben.

Parlament und Zivilgesellschaft wehren sich

In Reaktion auf die Medienfeindlichkeit der Regierung sind mehrere parlamentarische und zivilgesellschaftliche Initiativen entstanden. Am 28. Mai kündigte der Kongress die Schaffung der ersten überparteilichen „Parlamentarischen Front zur Verteidigung der Pressefreiheit“ an. Ihr Ziel ist es, „freie Meinungsäußerung, freie Ausübung des Journalismus und freien Zugang zu Informationen zu gewährleisten“ und öffentliche Debatten über die Pressefreiheit in enger Abstimmung mit der Zivilgesellschaft sowie im Austausch mit Parlamentsabgeordneten in anderen Ländern zu organisieren.

Im zweiten Quartal gingen mehr als 40 formelle Anträge auf eine Amtsenthebung Bolsonaros beim Sprecher der Abgeordnetenkammer ein, der für deren Prüfung zuständig ist. Sie wurden von politischen Parteien, Nichtregierungsorganisationen und Bürgervertretungen eingereicht; die meisten von ihnen zitieren die Angriffe der Regierung auf die Medien.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht auf Platz 107 von 180 Staaten.

Pressemitteilung

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  1. 1
    noesfacil

    Na, da ist er doch ganz bei seinem großen Vorbild im US-WH, also demnach in „allerbester Gesellschaft“.
    noesfacil

  2. 2
    Peter Hager

    In einer Demokratie darf es einfach nicht möglich sein, daß ein übergeschnapptes Staatsoberhaupt seine Sippe in einer Vielzahl hoher Ämter und Machtpositionen plaziert. Wenn man Bolsonaro weiterhin so gewähren läßt, wie bisher, wird er sich zu einem brasilianischen Idi Amin entwickeln, Hinrichtungen, Folter und öffentliche Auspeitschungen einführen. Das letzte hat er sich längst zu genüge verdient, jede Woche einmal, jeweils auf einem anderen Wochenmarkt.

    • 2.1
      noesfacil

      Ebenfalls Wahre Worte,
      darüber hinaus gilt das schon gesagte.
      Und in den USA und nicht nur dort (wobei woanders) wird’s mit der Definition einer „Demokratie“ schon sehr schwierig, funktioniert dieses fragwürdige „System“ doch auch, nicht wahr?
      Der äfft nur nach, was andere Trump, Putin Erdogan, Maduro, die Chinesen, etc, etc, etc, erfolgreich vormachen.
      Despotismus, Oligarchie und Populismus, wo man hinsieht!
      noesfacil

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