Selbst minimalste Anforderungen an ökologische und soziale Nachhaltigkeit sind für die meisten deutschen Speiseeis-Produzenten weiterhin „kein Thema“. Das ist das Ergebnis einer Analyse des WWF Deutschland. Zum zweiten Mal nach 2018 hat die Naturschutzorganisation dazu die größten deutschen Eisproduzenten sowie die Top Fünf des Lebensmitteleinzelhandels angefragt. „Die Einkaufspolitik deutscher Unternehmen lässt den Regenwald schneller verschwinden als Eis in der prallen Sonne“, fasst Ilka Petersen, Referentin Landnutzung und nachhaltige Biomasse beim WWF Deutschland zusammen. Kokosfett aus den Tropen werde ohne Zertifizierung gekauft, während Raps und Sonnenblume als augenscheinlich „heimische Alternative“ allerdings auch aus Übersee, wie Australien oder Lateinamerika, importiert sind.
„Ein Eis mit schlechtem Gewissen zu genießen, das ist weder für uns, noch für die Umwelt oder die Bauern vor Ort befriedigend“, kritisiert Petersen. „Insbesondere an Kokosöl, das teilweise in den gleichen Ländern wie das viel diskutierte Palmöl angebaut wird, werden keine Anforderungen gestellt.“ Geschätzte 60 % der KokosKleinbauern im Hauptproduktionsland Philippinen leben unter der Armutsgrenze. Und: „Es scheint den deutschen Eisproduzenten schlichtweg egal zu sein, wie und wo ihr Kokosfett hergestellt wurde. Wer den Kunden nicht zertifiziertes Kokosöl als grüne Alternative verkauft, betreibt Augenwischerei.“ Zugleich zeigt das Thema Palmöl laut Petersen, welchen Druck der Verbraucher ausüben kann: „Beim Palmöl gab es ein Umdenken. Wenn dieser Druck allerdings fehlt, werden Probleme wie Kinderarbeit, Rodungen von Wäldern, Einsatz von gefährlichen Pestiziden oder auch der Bienen-freundliche Anbau von Raps hierzulande gar nicht oder nur ansatzweise beachtet.“
Verbraucher rät der WWF zu Eissorten mit Bio- oder Fairtrade-Zertifizierung. „Zahlreiche Eisdielen machen ihr Eis auch selbst und achten auf Bio-Zutaten. Die gute Eisdiele nebenan kann Unterstützung gebrauchen. Denn der Anteil, den traditionelle Eisdielen am Eiskonsum haben, sinkt, so dass sich der Eismarkt auf immer weniger, immer größere Hersteller und Verkäufer konzentriert“, so Petersen.
Laut der WWF-Analyse setzen alle befragten Eishersteller und Verkäufer, bis auf das Unternehmen Friesland Campina, Kokosfett als Bestandteil ein. Langnese und Magnum-Produkte werden sogar ausschließlich mit Kokos als Pflanzenöl-Bestandteil hergestellt. Kein einziges Unternehmen achtete bei Kokos allerdings auf ökologische und soziale Anforderungen bei dessen Produktion. Bei Palmöl geben zumindest alle befragten Unternehmen an, zertifizierte Ware einzusetzen. Fatal jedoch: Unternehmen tauschen Palmöl gegen Kokos aus, da dieses als „grüner“ und weniger belastet beim Verbraucher gilt. Bei Milchfett und Sahne gibt nur Friesland Campina für ihr Landliebe-Eis an, dass die Kühe mit gentechnikfreiem, zertifizierten Soja gefüttert werden. Erschwerend kommt hinzu, dass auch Raps- oder Sonnenblumenöle aus Übersee wie Australien, China, Lateinamerika oder Kanada importiert werden. Fünf von 17 Unternehmen wollten überhaupt keine Auskunft geben.
Um einen Stopp der Regenwaldrodungen zu erwirken, fordert der WWF daher ein Lieferkettengesetz für Deutschland und die EU, das Unternehmen zur Achtung von Umweltstandards und Menschenrechten in ihren Wertschöpfungsketten verpflichtet. „Wenn Unternehmen die Zeichen der Zeit nicht erkennen können und freiwillig die Verpflichtungen aus den internationalen Abkommen zum Schutz von Weltklima und Artenvielfalt als Grundlage unseres Lebens umsetzen, dann braucht es eben Gesetze und Verordnungen durch die Politik“, so Petersen.
Hintergrund Eiskonsum
Rund 2,5 Mrd. Euro Umsatz hat die Eisbranche 2019 laut dem Bundesverband der deutschen Süßwarenindustrie (BDSI) gemacht. 557 Mio. Liter Eis wurden in Deutschland konsumiert, das sind 8,3 Liter pro Kopf und Jahr, das meiste davon industriell hergestelltes Markeneis. Der Anteil, den traditionelle Eisdielen daran haben, sinkt.
Hintergrund Kokosöl
Der weltweite Anbau von Kokospalmen erfolgte 2018 auf etwa 12,4 Mio. ha, mit denen 1,2 % des weltweiten Pflanzenölbedarfs gedeckt wurden. Ölpalmen kamen 2018 zwar 23,5 Mio. ha, allerdings wurden damit 36 % des Pflanzenölbedarfs gedeckt. Der Ertrag der Ölpalme liegt durchschnittlich bei etwa 3,8 t Öl pro ha. Der von Kokosöl bei 0,7 t Öl pro ha. Weitet sich der Trend, Palmöl durch Kokosöl zu ersetzen, aus, hätte das negative Effekte auf die Umwelt, da mehr Fläche benötigt würde. Überdies bedroht auch der Anbau von Kokospalmen die Artenvielfalt und zwar in einem noch höheren Maße als Palmöl. Auch unter sozialen Gesichtspunkten ist der Kokosanbau mit vielen Problemen behaftet. An Kokosöl, das teilweise in den gleichen Ländern wie das viel diskutierte Palmöl angebaut wird, werden derzeit kaum Produktions-Anforderungen hinsichtlich sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit gestellt. Die Anbaubedingungen vor Ort müssen dringend verbessert werden.
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