Menschenrechtsverletzungen: Kuba auf der Anklagebank

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Protest der Damen in Weiss vor der Kirche Santa Rita in Havanna Miramar, gemeinsam mit freigelassenen politischen Gefangenen (Foto: IGFM)
Datum: 27. August 2020
Uhrzeit: 13:21 Uhr
Leserecho: 0 Kommentare
Autor: Redaktion
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Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte überbringt Hilfe für die Opfer von Menschenrechtsverletzungen auf Kuba. Zu dieser Opfergruppe zählen ehemalige politische Gefangene und ihre Angehörigen, Bürgerrechtler und christliche Aktivisten. Die Hilfe wird seit 2004 von Einzelreisenden überbracht, die der IGFM nach ihrer Rückkehr über das Erlebte berichten. Zur Aufklärung von Menschenrechtsverletzungen an dem kubanischen Biologen Dr. Ariel Ruiz Urquiola hat die IGFM beim Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen Beschwerde eingelegt.

Interview mit Martin Lessenthin, Vorstandssprecher der IGFM -Internationale Gesellschaft für Menschenrechte, Frankfurt/M. und Mitglied im Kuratorium des DIMR- Deutsches Institut für Menschenrechte, Berlin

Herr Lessenthin, Sie haben beim Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in Genf eine offizielle Beschwerde gegen Kuba wegen Folter eingelegt. Was wollen Sie erreichen?

Unsere Beschwerde an die UN-Berichterstatter hat mehrere Ziele: Zum einen geht es um die Verteidigung der wissenschaftlichen Arbeit von Dr. Ariel Ruiz Urquiola, die Natur- und Artenschutz sowie Umweltprobleme betrifft. Zum anderen geht es um die Aufklärung krimineller Handlungen gegen die Gesundheit eines kompetenten Kritikers; um Folter, die Diskriminierung als Homosexueller und um die herbeigeführte Infektion mit HIV während der Zwangsernährung.

Kann auf Kuba ein Wissenschaftler vom Regime als politische Gefahr bekämpft werden?

Dr. Ariel Ruiz Urquiola ist ein angesehener, international vernetzter Wissenschaftler, der bis 2016 als Forscher der Universität Havanna internationale Bekanntheit durch seine Forschungsarbeiten erlangt hatte. Bei seinen wissenschaftlichen Projekten zum Schutz bedrohter Arten arbeitete er unter anderem mit der Humboldt Universität Berlin und den Vereinten Nationen zusammen. Seine öffentliche Kritik an eklatanten Missständen im Naturschutz und im Gesundheitswesen führte dazu, dass ihm die Lehrerlaubnis entzogen wurde. Die Führung Kubas fürchtet qualifizierte Kritik und bekämpft jeden Kritiker als politischen Gegner.

Wie wird man zum Opfer des Regimes, spielen auch der familiäre Hintergrund und persönliche Lebensumstände eine Rolle?

Es ist bei vielen kubanischen Regimekritikern tatsächlich so, dass Geschwister, Kinder und Eltern ebenso Opfer von Verfolgung und Diskriminierung sind. Als Dr. Ruiz Urquiola 16 Jahre alt war, wurde sein Vater wegen „konterrevolutionärer Meinungsäußerungen“ als politischer Gefangener inhaftiert. Seit dem Jahr 2001 stehen Dr. Ariel Ruiz Urquiola ebenso wie seine Schwester Omara Ruiz Urqquiola unter ständiger Beobachtung und Verfolgung. Omara wurde ihre Professur für Design und Kunst an der Universität Havanna entzogen. Außerdem wurde die an Brustkrebs erkrankte Frau vom 26.08.2020 kubanischen Gesundheitssystem falsch behandelt, Medikamente wurden verweigert. Dagegen demonstrierte ihr Bruder öffentlich. Das öffentliche Bekenntnis von Ariel zu seiner homosexuellen Orientierung wird politisch gegen ihn instrumentalisiert. Angehöriger sexueller Minderheiten haben es im Einparteienstaat Kuba schwer. Ein Beispiel für die Unterdrückung ist der renommierte, zunächst auch von der Kommunistischen Partei, dem Schriftstellerverband und staatlichen Stellen gefeierte, Schriftsteller Jorge Angel Perez. Als er eine Kurzgeschichte über einen schwulen Jugendlichen veröffentlichte, wurde sein Werk tabuisiert. Perez Werke sind heute für seine Leserschaft auf Kuba nicht mehr zugänglich, er darf außerdem auch keine weiteren Werke mehr veröffentlichen.

Wie äußert sich die kubanische Regierung zu den Geschehnissen?

Kubas Regierung kommentiert die Berichte zur Haft von Ariel Ruiz und anderen Gefangenen nicht. In der Beschwerde an die UN-Berichterstatter fordert die IGFM daher, zielgerichtet die sofortige Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen an Dr. Urquiola. Er muss für die erlittenen gesundheitlichen Folgen durch Infektion und Haft entschädigt werden. Wichtig sind die Aufklärung seiner HIV-Infektion sowie des staatlichen Versagens, ihn vor Angriffen auf der von ihm bewirtschafteten Bio-Farm zu schützen.

Was bedeutet sein Schicksal für andere Umwelt- und Menschenrechtsaktivisten auf Kuba?

Jeder, der Umweltzerstörung anprangert und Naturschutz einfordert, kritisiert die Regierung, denn alle Unternehmen, die die Natur zerstören, sind staatliche Betriebe. Und der Staat duldet keine Kritik, sondern bringt die Kritiker zum Schweigen. Das haben wir in tragischer Weise bei anderen Regimekritikern wie Laura Pollán oder Oswaldo Paya erfahren. Die offizielle Version ihres Todes sind eine Krankheit bzw. ein Verkehrsunfall. Da sie aber zuvor mehrfach Todesdrohungen erhalten haben, gehen ihre Familien, Bürgerrechtler und Menschenrechtsorganisationen wie die IGFM davon aus, dass die kubanische Regierung involviert war und die Kritiker schlichtweg beseitigt wurden.

Wie kann die IGFM auf Kuba für Menschenrechte eintreten?

Wir unterstützen Bürgerrechtler, unabhängige Journalisten und die Familien von politischen Gefangenen vor Ort. Wo Direkthilfe für Bürgerrechtler nicht möglich ist, arrangieren wir Patenschaften mit deutschen Parlamentariern für politische Gefangene. Diese bringen ihr Schicksal stetig in den Fokus der Öffentlichkeit und tragen somit dazu bei, dass die politischen Gefangenen nicht vergessen sind.

UNPACU, die Patriotische Union Kubas, wurde in 2011 von ehemaligen politischen Gefangenen um José Daniel Ferrer gegründet, Ferrer bilanziert heute eine ähnliche Menschenrechtslage auf Kuba wie damals. Welche Bedeutung hat die UNPACU für die Demokratiebewegung auf der
Insel?

Die UNPACU ist die größte Bürgerrechtsbewegung auf Kuba. Sie gibt den Menschen, die sich nach Freiheit und einer Verbesserung der wirtschaftlichen Lage sehnen, Hoffnung und eine Stimme. Deshalb werden die Aktivisten von UNPACU von der kubanischen Führung mit großer Härte verfolgt. Daniel Ferrer wird wegen seiner bürgerrechtlichen Arbeit immer wieder verhaftet und mit Gefängnisstrafen sanktioniert.

Wie steht es um den inhaftierten Journalisten Roberto Quiñones?

Während die kubanische Regierung während der Corona-Pandemie mehr als 10.000 Gefangene freigelassen hat, bleiben politische Gefangene wie der Journalist Quiñones in Haft. Der Coronatest ist nur ein weiterer Vorwand, um seine Freilassung aufzuschieben. Der Test ist unnötig, da die kubanische Regierung verkündet, es gäbe in kubanischen Gefängnissen keine Corona-Infizierten.

Im Jahr 2010 erregte der Tod des kubanischen Menschenrechtsaktivisten Orlando Zapata Tamayo nach einem Hungerstreik weltweite Aufsehen. Am 7. August 2020 starb der Regimekritiker Yosvany Arostegui Armenteros nach einem 40- tägigen Hungerstreik. Gibt es keine positive Entwicklung?

Auf Kuba sind innerhalb der letzten zehn Jahre weder im Bereich der Menschenrechte noch in der Wirtschaft Verbesserungen eingetreten. Am besten dokumentiert dies die Tatsache, dass die Kubaner bis heute mit Lebensmittelheftchen einkaufen müssen, in denen Zuteilungen versprochen werden. Trotz Einnahmen durch den Tourismus macht die Mangelwirtschaft die Menschen immer noch krank. Die junge Generation sieht auf Kuba keine Zukunft. Regimekritiker werden nach wie vor eingesperrt und ihre Angehörigen drangsaliert. Einige der politischen Gefangenen sehen keine andere Möglichkeit, als ihren Protest gegen die Folter und die Übergriffe durch einen Hungerstreik auszudrücken. Wir sind vom Tod Yosvany Arostegui Armenteros erschüttert und fordern eine unabhängige Untersuchung; sein Sterben ist eine Tragödie – die Demokratiebewegung auf Kuba braucht jeden einzelnen Aktivisten!

Die Damen in Weiß haben sich seit 2003 erfolgreich für politische Gefangene eingesetzt. Mit welchen Herausforderungen ist die Gruppe im täglichen Kampf für Menschenrechte konfrontiert?

Die Damen in Weiß sind ein bedeutender Teil der Demokratiebewegung auf Kuba. Meine Frau und ich haben viele dieser mutigen Frauen auf Kuba persönlich kennen gelernt und sind beeindruckt von ihrer Courage. Weil sich die Damas de Blanco friedlich für die Freilassung der politischen Gefangenen einsetzen, sind sie selbst und ihre Familienangehörigen ständigen Drohungen und ausgesetzt. Im Fall von Jacqueline Heredia leiden sogar schon ihre minderjährigen Kinder unter Repressionen. Der Bundestagsabgeordnete Sebastian Brehm setzt sich deshalb im Rahmen des IGFMPatenschaftsprogramms für Jacqueline Heredia und ihre Familie ein. Dafür sind wir dankbar.

Die Fragen stellten Paula Nörr und David Suárez Caspar.

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