Die angebliche Vorhersage starker Erdbeben aufgrund anomalen Tierverhaltens hat lange Tradition: Bereits 373 v.Chr. gab es im alten Griechenland Geschichten von Ratten und Tausendfüßlern, die sich vor großen Erdbeben in Sicherheit brachten. Vor etwa 40 Jahren wurde in China Aufhebens um warnendes Verhalten von Tieren gemacht. Im Jahr 2013 berichtete eine Gruppe der Universität Duisburg-Essen während der Fachtagung der European Geosciences Union von Verhaltensänderungen roter Waldameisen vor Erdbeben. Plausible Theorien oder stichhaltige Statistiken konnten aber nie vorgelegt werden.
Im Jahr 2020 erschien eine aufsehenerregende Arbeit von Wikelski et al. (Ethology. 2020; 126: 931–941), die sich aufgrund der exzellenten Datenbasis von den vorgenannten Studien deutlich unterscheidet: In einem italienischen Erdbebengebiet wurden über längere Zeiträume Tiere mit Bewegungssensoren bestückt, sodass ein Zusammenhang zwischen Tierbewegungen und – durch Erdbeben hervorgerufene – Bodenbewegungen statistisch fundiert untersucht werden konnte. Die Studie kam zu dem Resultat, dass eine kontinuierliche Überwachung von Tierkollektiven an verschiedenen Orten empfehlenswert ist, um statistisch zuverlässige Muster der Bodenbewegungen für die kurzfristige Erdbebenvorhersage zu erhalten.
Gert Zöller, Professor am Institut für Mathematik der Universität Potsdam, hat nun in einem kürzlich veröffentlichten Kommentar gemeinsam mit Kollegen des Deutschen GeoForschungsZentrums das zentrale Ergebnis der beschriebenen Studie widerlegt. „In unserem Kommentar zu diesem Artikel überprüfen wir die Resultate mittels moderner Methoden der mathematischen Statistik und demonstrieren, dass die Vorhersagefähigkeit von Tierverhalten nicht besser ist als im Fall zufällig generierter Vorhersagen, also durch beliebiges Raten“, erläutert er. „Die Anwendung mathematischer Statistik zeigt eindeutig, dass die Evidenz für erfolgreiche Erdbebenvorhersagen aufgrund auffälligen Tierverhaltens gleich Null ist.“
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