mmer häufiger treten in den letzten Jahren in den brasilianischen Savannen Flächenbrände auf, die auch die Uferwälder stark in Mitleidenschaft ziehen. Wie groß die Bedrohung für diese empfindlichen Ökosysteme tatsächlich ist, zeigen jetzt Untersuchungen mit Beteiligung einer Wissenschaftlerin von der Universität Hohenheim in Stuttgart: „Der Verlust ist hier sogar schlimmer als im tropischen Regenwald am Amazonas, denn die betroffene Fläche ist deutlich größer“, sagt Dr. Anna Abrahão. Tropische Savannen gehören weltweit zu den Lebensräumen mit der größten biologischen Vielfalt und zugleich zu den am stärksten bedrohten Ökosystemen. Neben den typischen Gras- und Buschlandschaften finden sich vor allem in den feuchten Uferzonen von Bächen und Flüssen auch immergrüne Wälder. Publiziert wurden die Ergebnisse der 20 Forscherinnen und Forscher aus verschiedenen brasilianischen und internationalen Institutionen jetzt im Journal of Applied Ecology.
Der Nationalpark Chapada dos Veadeiros, ein UNESCO-Weltnaturerbe, liegt in einem der ältesten und biologisch vielfältigsten tropischen Lebensräume der Welt, der Cerrado. Mit einer Fläche von mehr als zwei Millionen Quadratkilometern ist die in der brasilianischen Zentralhochebene gelegene Savannenlandschaft fast sechsmal so groß wie Deutschland und – nach dem Amazonasregenwald – das zweitgrößte Ökosystem Brasiliens.
Sie bietet rund 12.000 heimischen Pflanzen- und Tierarten einen Lebensraum, darunter auch vielen Arten, die ausschließlich dort vorkommen. Gerade die Uferwälder sind wichtige Lebensräume für Großtiere wie Jaguare, denen sie als Versteck inmitten der offenen Savannenflächen dienen. Gleichzeitig steht der Cerrado unter einem enormen Nutzungsdruck durch Land- und Viehwirtschaft. So ist der jährliche Vegetationsverlust noch höher als derjenige im Amazonasgebiet. Vor allem in den Naturschutzgebieten treten regelmäßig großflächige, zerstörerische Flächenbrände auf, die die Artenvielfalt in diesem Gebiet stark gefährden.
Im Oktober 2017 breitete sich ein großes Flächenfeuer über die Savannenlandschaften des Nationalparks Chapada dos Veadeiros aus. Dabei verbrannten mehr als 86 Tausend Hektar, das entspricht mehr als 80 % der Parkfläche. Wie groß die Folgen dieses Brandes speziell für die Uferwälder in der tropischen Savanne sind, hat jetzt ein 20-köpfiges internationales Forschungsteam untersucht.
Baumkronen-Überdachung sank von 90 auf bis zu 20 Prozent
Mit Hilfe von Satellitenbildern bei Google Earth ermittelten die Forschenden den Verlust der Waldbedeckung auf einer Fläche von 90 Hektar zwischen 2003 und 2019. Die Ergebnisse verglichen sie mit Felddaten, die sie in 36 über die verbrannte Landschaft verteilten Wäldern gesammelt haben. Waren 2003 noch über 90 % der Fläche in den Uferwäldern vom Kronendach der Bäume bedeckt, sank diese Fläche nach 2017 in einigen Wäldern auf 20 %. Genauere Untersuchungen vor Ort ergaben, dass durch die Waldbrände im Durchschnitt 50 % der erwachsenen Bäume und 88 % der Baumschösslinge abstarben.
Es waren jedoch nicht alle Wälder im gleichen Ausmaß betroffen. „Zu unserer Überraschung wurden die Wälder, die während der Regenzeit überflutet wurden, am stärksten geschädigt. Einige dieser Wälder sind sogar vollständig zerstört“, sagt Dr. Bernardo Flores von der Universität Campinas in Brasilien und Erstautor der Veröffentlichung.
Einen Grund sehen die Wissenschaftler in der relativ dünnen Rinde der Bäume. Denn obwohl die Uferwälder in einer Umgebung wachsen, in der es häufig brennt, erreicht das Feuer sie selbst nur selten: Sie verfügen über genügend Feuchtigkeit, um dessen Ausbreitung zu verhindern. Infolgedessen bilden die meisten Baumarten in den Uferwäldern nur relativ dünne Rinden und sind im Vergleich zu den Bäumen in der offenen Savanne deutlich feuerempfindlicher.
Savannen tolerieren nur natürliche Brände
Normalerweise verkraften die Ökosysteme tropischer Savannen regelmäßige Brände gut. „Natürliche Feuer entstehen meist bei Gewittern durch Blitzeinschlag. Durch den nachfolgenden Regen werden diese Brände in der Regel auch schnell wieder gelöscht. Zudem treten Gewitter meist während der Regenzeit auf, so dass der Boden und die Vegetation feucht und nicht so schnell entflammbar sind“, weiß Dr. Abrahão. „Doch Menschen legen die Feuer meist mitten in der Trockenzeit, wenn das Gras und auch die Wälder trocken sind und gut brennen“, erklärt Dr. Abrahão. „Da die brasilianische Regierung in den letzten Jahren immer weniger Wert auf Umweltschutz gelegt hat, haben auch die Brände stark zugenommen.“
Landwirtschaft und Klimawandel erhöhen die Brandgefahr
Eine weitere Ursache dafür ist sicherlich in der zunehmenden Ausdehnung landwirtschaftlicher Nutzflächen in diesen Regionen zu suchen, was nicht nur zum Verlust von natürlichem Lebensraum, sondern auch zur Einführung fremder Pflanzenarten geführt hat. So breiten sich als Viehfutter auf Weiden angepflanzte, nicht-heimische Gräser in die angrenzende Savanne aus und verdrängen dort die einheimischen Arten. Darüber hinaus produzieren die gebietsfremden Arten meist mehr Biomasse und liefern so dem Feuer zusätzliches Brennmaterial.
Gleichzeitig wird aufgrund des Klimawandels in den letzten Jahrzehnten in den tropischen Savannen weltweit eine Verlängerung der so genannten Brandwettersaison beobachtet. Dabei kommen hohe Temperaturen, geringe Niederschläge sowie niedrige Luftfeuchtigkeit und oft auch starke Winde zusammen, was die Brandgefahr zusätzlich erhöht. Im tropischen Südamerika dauert diese Periode heute 33 Tage länger als noch vor 35 Jahren.
Ganzes Ökosystem ist in Gefahr
In den meisten Tropenwäldern verbrennen bei einem einzigen Flächenfeuer in der Regel zwischen 23 und 44 % der Bäume. In saisonal überfluteten Uferwäldern kann ein einziges Waldbrandereignis jedoch 60 bis 100 % aller erwachsenen Bäume töten, so ein Ergebnis der Forscher. Darüber hinaus wird durch die freigelegten Flächen die Bodenerosion erhöht.
Der Verlust dieser Uferwälder kann negative Auswirkungen auf die gesamte Flora und Fauna sowie das ökologische Gleichgewicht des Parks haben. So konnten sich in den am meisten geschädigten Gebieten invasive Gräser und andere opportunistische Pflanzen, wie Kletterpflanzen und Farne, innerhalb weniger Monate stark ausbreiten. Zwar wurde durch die Zerstörung der Wälder Raum für neue Pflanzenarten geschaffen, aber zugleich entsteht eine völlig neue Lebensgemeinschaft, die meist auch artenärmer ist.
Weitere Entwicklung des geschädigten Ökosystems beobachten
Die Forschenden wollen in den nächsten Jahren die weitere Entwicklung beobachten. Denn die Frage ist, ob sich stark gestörte Uferwälder wieder erholen und zu ihrem ursprünglichen Zustand zurückkehren können, oder ob dieser Prozess durch opportunistische Pflanzen aufgehalten und die natürliche Waldregeneration gestoppt wird.
Sie wollen mit den Ergebnissen ihrer Untersuchungen auch dazu beitragen, Strategien für das integrierte Feuermanagement in diesen Landschaften zu entwickeln. So könnten zum Beispiel gezielt gelegte, kontrollierte Brände dazu beitragen, die brennbare Biomasse zu verringern, die Vielfalt der Landschaft wiederherzustellen und die Ausbreitung von Waldbränden zu verringern.
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