Eine Gesetzesreform baut in mexikanischen Staaten Hürden im Scheidungsrecht ab. Prinzipiell sollte dies die Position der Frauen stärken. Doch die Reform hat einen vom Gesetzgeber nicht beabsichtigten Nebeneffekt, wie Nachwuchsökonomin Dr. Aixa García-Ramos in einer Studie der Universität Passau zeigt.
Gewalt in der Partnerschaft ist nach wie vor ein weltweites Problem. Zahlen der Weltgesundheitsorganisation zufolge ist eine von drei Frauen im Laufe ihres Lebens davon betroffen. Lockerungen im Scheidungsrecht können dafür sorgen, dass sich betroffene Frauen leichter aus solchen Partnerschaften lösen können. Studien aus den USA und Spanien zeigen, dass diese Maßnahme noch einen weiteren Effekt hat: Die Gewalt in Partnerschaften geht zurück, sobald Hürden im Scheidungsrecht abgebaut werden.
Anders die Situation in Mexiko: Dr. Aixa García-Ramos, Nachwuchsökonomin am Lehrstuhl für Public Economics an der Universität Passau, hat in einer Studie untersucht, wie sich eine Reform des Scheidungsrechts, das 2008 erstmals auf Staatenebene eingeführt wurde, auf Gewalt in Partnerschaften ausgewirkt hat. Die Reform ermöglicht es den Frauen und Männern, sich einseitig ohne Angabe eines Grundes scheiden zu lassen. Die Beobachtung von Dr. García-Ramos: Die Scheidungsraten erhöhen sich. Doch auf lange Sicht nimmt auch die Gewalt zu. Etwa sechs bis acht Jahre nach der Reform stellt Dr. García-Ramos einen Anstieg um 21 Prozent fest. „Ich kann diesen Anstieg auf Frauen zurückführen, die nach der Reform des Scheidungsrechts in der Ehe verblieben sind“, erklärt sie. Die Ökonomin vermutet als Grund, dass Männer verstärkt zu Gewalt greifen, um Frauen in der Ehe zu halten.
Besonders Frauen mit mittlerem oder höherem Bildungsabschluss betroffen
In ihre Studie flossen repräsentative Umfragen des mexikanischen National Survey on the Dynamics of Household Relationships (ENDIREH) aus den Jahren 2003, 2006, 2011 und 2016 ein, sowie Zahlen zu Hochzeiten, Scheidungen, Wanderungsbewegungen, zum Arbeitsmarkt und zum Wahlverhalten. Mit Hilfe von statistischen Verfahren wie der Differenz-in-Differenz-Methode weist Dr. García-Ramos nach, dass es tatsächlich die Gesetzesreform war, die den Gewaltanstieg ausgelöst hat. Darüber hinaus zeigt sie, welche Frauen ganz besonders betroffen sind: Es sind jene mit mittlerem oder höherem Schulabschluss.
„Auf den ersten Blick überrascht das, denn man würde vermuten, dass sich diese Frauen bei Gewalt in der Ehe schneller scheiden lassen, weil sie nicht so abhängig von ihrem Partner sind“, sagt Dr. García-Ramos. Doch genau das wird den Frauen im Kontext eines Entwicklungslandes wie Mexiko zum Verhängnis. „Scheidungen sind in Mexiko nach wie vor gesellschaftlich kaum akzeptiert, Gewalt in der Ehe hingegen wird häufig schulterzuckend hingenommen“, schildert Dr. García-Ramos. Frauen, die wegen Gewalt in der Partnerschaft zur Polizei gehen, ernten häufig Unverständnis. Somit können Männer häusliche Gewalt als Druckmittel setzen, während sie in anderen Ländern dafür strafrechtliche und gesellschaftliche Sanktionen fürchten müssen.
Haltung zu Ehe und Rollenverteilung herausfordern
„Meine Studie zeigt, wie wichtig es ist, bei Reformen im Scheidungsrecht in einem Entwicklungsland den Bereich Gewalt in der Partnerschaft in den Blick zu nehmen“, sagt Dr. García-Ramos. Sie empfiehlt, eine solche Gesetzesreform von weiteren Maßnahmen zu begleiten, die das vorherrschende Bild von Ehe und der Rollenverteilung in Beziehungen herausfordern.
Die Studie von Dr. García-Ramos erscheint in der renommierten Fachzeitschrift Journal of Development Economics. „Es ist ein toller wissenschaftlicher Erfolg, dass meine Mitarbeiterin ihre Studie in einem solch hoch angesehen Journal platzieren konnte“, erklärt Prof. Dr. Stefan Bauernschuster, Inhaber des Lehrstuhls für Public Economics an der Universität Passau. Die Spanierin Dr. García-Ramos forscht und lehrt seit 2018 in dem Team um Prof. Dr. Bauernschuster, das sich schwerpunktmäßig mit den ökonomischen Auswirkungen von politischen Maßnahmen befasst.
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