Die salvadorianische Demokratie hat einen Autokraten hervorgebracht. Das Szenario hatte sich fast ein Jahr lang zusammengebraut und jetzt in seiner ganzen Pracht entfaltet. Sein Name ist Nayib Bukele und ab dem 1. Mai wird er das zentralamerikanische Land so regieren, wie es ihm gefällt. Am Sonntag (28. Februar) wählten die Salvadorianer ihre 84 Abgeordneten und 262 Bürgermeister. Die Partei „Nuevas Ideas“, die sich selbst als die Partei des „N von Nayib“ definiert, gab ihr Debüt bei den Wahlen und verpasste ihren Gegnern eine gewaltige Abreibung. Die endgültige Auszählung steht noch aus, aber die vorläufige Auszählung machte den Trend deutlich: Mehr als neunzig Prozent wurden ausgezählt und Bukele’s Bürgermeisterkandidaten gewannen dreizehn der vierzehn Departementshauptstädte. Seine Kongresskandidaten gewannen – das Bündnis mit einer anderen Partei eingerechnet – einundsechzig der vierundachtzig Kongresssitze.
El Salvador hat sich verändert. Das Land existiert nicht mehr mit der Korrelation der politischen Kräfte, die in der Nachkriegszeit regiert haben. Nach den Friedensverträgen dominierten neunundzwanzig Jahre lang zwei Parteien die politische Macht: die Nationale Befreiungsfront Farabundo Martí (FMLN) auf der linken und die Nationalistische Republikanische Allianz (ARENA) auf der rechten Seite. Diese Wahlen löschten die Polarisierung aus, die den im Nordwesten an Guatemala und im Nordosten an Honduras grenzenden Staat jahrzehntelang zerfressen hatte: FMLN oder ARENA? Und eine andere, ebenso vereinfachende und schädliche Polarisierung wurde durchgesetzt: Bukelista oder nicht?
Mit einundsechzig Abgeordneten braucht Bukele keine andere gesetzgebende Bank als die seiner verbündeten Partei. Die hat ihm absolute Loyalität versprochen und unter deren Initialen wurde er 2019 Präsident, als er noch keine „Nuevas Ideas“ gegründet hatte. Wie in Brasilien ist die Opposition in die Bedeutungslosigkeit gefallen. In der salvadorianischen Gesetzgebung ist sechsundfünfzig die magische Zahl. Bekannt als qualifizierte Mehrheit ist sie in der Lage, den Haushalt zu verabschieden, Gesetzesreformen, die Aussetzung von Verfassungsgarantien oder die Ernennung von Richtern des Obersten Gerichtshofs durchzusetzen.
Die traditionellen Parteien liegen in einem tiefen Koma. Sie werden künstlich überleben, indem sie einige Sitze behalten mit Leuten, die im Parlament sitzen und zur Bedeutungslosigkeit verbannt sind. Die ehemalige Guerilla, zum Beispiel die FMLN, gewann vier Sitze. Ihr niedrigstes Ergebnis waren einundzwanzig Abgeordnete bei den Wahlen 1994, als der Krieg noch frisch und das Gespenst des Kommunismus noch nützlich war, um die Wähler abzuschrecken. „ARENA“ hat dieses Mal vierzehn Sitze gewonnen, was bedeutet, dass sie dreiundzwanzig Sitze weniger haben als jetzt. Ab Mai wird es reichen, wenn Bukele zum Telefon greift, um ein Gesetz zu erlassen oder einen Staatsanwalt abzusetzen und einen anderen zu wählen. Die große Mehrheit der salvadorianischen Wähler hat sich entschieden und das Land auf den Weg zur Autokratie gebracht. Eine in demokratischen Prinzipien schlecht erzogene Gesellschaft hat ihren Caudillo bestätigt. Eine Gesellschaft mit so wenig öffentlicher Bildung und so viel Ungleichheit hat, mehr durch Glauben als mit Argumenten, ihren neuen Messias gesalbt.
Ein Autokrat wurde El Salvador nicht aufgezwungen: Das Land hat ihn gewählt.
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