Nach Schätzungen der Vereinten Nationen sind in der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince seit fast zwei Wochen 10.000 Menschen gezwungen, ihre Häuser zu verlassen. In der größte Stadt Haitis herrscht blutige Gewalt, die Auseinandersetzungen zwischen kriminellen Organisationen sind eskaliert. Laut dem stellvertretende Sprecher des UN-Generalsekretärs, Farhan Haq, hat es bereits mehr als fünfzig Todesopfer und zahlreiche Verletzte im Zusammenhang mit diesen Zusammenstößen seit ihrem Beginn Anfang Juni gegeben. „Unter den Vertriebenen und denjenigen, die Zuflucht suchen, wurden Fälle von geschlechtsspezifischer Gewalt registriert. Dazu gehören Vergewaltigungen und Sex für Schutz“, so Haq. Cité-Soleil, der größte Slum des Landes, ist seit mehreren Monaten in einen blutigen Krieg zwischen zwei bewaffneten Gruppen verwickelt, die um das Territorium kämpfen. Haq betonte auch, dass der Ausbruch des Coronavirus „eine weitere große Sorge“ unter den Vertriebenen sei, die von den Vereinten Nationen und den lokalen Behörden Unterstützung für ihre „dringendsten Bedürfnisse“, wie Nahrung, Unterkunft, Hygiene, sanitäre Einrichtungen und psychosoziale Betreuung, erhalten. Leider erreicht die Hilfe nur ein Drittel der Bedürftigen, da der Zugang aufgrund von Unsicherheit und begrenzten Ressourcen eingeschränkt ist.
Unter den Vertriebenen sind nach Schätzungen von Unicef und dem Büro der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) etwa 4.140 Frauen und 4.345 Kinder. Während in der haitianischen Hauptstadt Zusammenstöße toben, gab die Nationalpolizei am Mittwoch (16.) bekannt, dass sie aufgrund einer gemeldeten Welle von Gewalt, Entführungen, Raubüberfällen und Barrikaden „in höchster Alarmbereitschaft“ ist. Eine Mission der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) besuchte kürzlich das Nachbarland der Dominikanischen Republik, um sich mit politischen Akteuren zu treffen, inmitten der „ernsten politischen, sicherheitspolitischen und menschenrechtlichen Situation“, die es durchlebt. Für den 27. Juni war ein Wahlreferendum geplant, um den vom haitianischen Präsidenten Jovenel Moise – der in Ermangelung eines gewählten Parlaments per Dekret regiert – befürworteten „Fahrplan“ für den Übergang voranzutreiben. Der Urnengang wurde aufgrund der durch die Coronavirus-Pandemie verursachten Gesundheitskrise allerdings verschoben.
Haiti befindet sich in einer langanhaltenden Krise, seit die Opposition behauptet, Moises Amtszeit würde am 7. Februar ablaufen. Der Präsident behauptet, dass die Amtszeit erst mit der Durchführung einer gültigen Wahl begonnen habe und er daher das Recht hat, bis Februar 2022 im Amt zu bleiben.
Leider kein Kommentar vorhanden!