„Patrulla Horno“: Folterpraktik auf Kuba

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Bei dieser Foltermethode werden einzelne oder sogar mehrere Personen stundenlang in einem Polizeiwagen unter der prallen Sonne, und ohne Wasser oder Luftzufuhr eingesperrt Illustration: Erick Retana / CONNECTAS
Datum: 06. Juli 2021
Uhrzeit: 08:16 Uhr
Leserecho: 0 Kommentare
Autor: Redaktion
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Die Folterpraxis „patrulla horno“ (Ofenfolter) wird vermehrt von Agenten der Staatssicherheit zur Unterdrückung von Kritikern eingesetzt, berichtet die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM). Bei dieser Foltermethode werden einzelne oder sogar mehrere Personen stundenlang in einem Polizeiwagen unter der prallen Sonne, und ohne Wasser oder Luftzufuhr eingesperrt. Die Folge ist Bewusstlosigkeit, was bei den Opfern zudem dauerhafte physische und psychische Narben hinterlässt. Die IGFM verurteilt diese entsetzliche Praxis als systematische Foltermethode, die die Meinungsfreiheit von Oppositionellen, Journalisten und Bürgerrechtlern unterdrückt und ruft daher die internationale Öffentlichkeit und Presse auf, genau hinzuschauen um nicht grausame Praktiken Normalität werden zu lassen. Mit dem Anstieg der sozialen Unzufriedenheit auf Kuba haben die Proteste auf der Insel an Dynamik gewonnen. Das Regime antwortet mit Bedrohung, Folter und Gefängnis. Schlafentzug, Einsperren an Orten mit extrem hohen Temperaturen sowie der Missbrauch von Handschellen als Folterinstrumente sollen die Moral der Demokratieaktivisten brechen, kritisiert IGFM-Vorstandssprecher Martin Lessenthin.

Kubanische Polizisten und Agenten der Staatssicherheit nutzen ihre Fahrzeuge um Kritiker darin einzusperren, ohne Wasser oder frische Luftzufuhr. Oft werden dabei mehrere Personen festgehalten, was die Atemluft weiter verschlechtert. Unter diesen Umständen verlieren die Opfer ihr Bewusstsein, was das Risiko des Erstickens, Erbrechens und der Dehydrierung erhöht. Der längste bekannte Fall dauerte 17 Stunden. So wurden die Aktivisten Alexis Pérez Lescailles und María Josefa Acón in der Nacht des 8. September 2019 im Zentrum Havannas festgenommen. Sie wollten am gleichen Tag am Sonnenblumen-Marsch (La Marcha de los Girasoles) der Patriotischen Union von Kuba (UNPACU) teilnehmen. Die Polizei fuhr mit ihnen in ein weit im Süden der Hauptstadt gelegenes Viertel und behielt sie dort sogar über die extrem heiße Tageszeit von 12 Uhr mittags bis 17 Uhr nachmittags im Arrest – insgesamt 17 Stunden.

Über diese Folterpraktik berichtete erst kürzlich am 2. Juni 2021 der unabhängige Journalist Yoe Suárez. Weitere Schilderungen stammen unter anderem von Aktivistinnen der regimekritischen Damen in Weiß (Damas de Blanco). Der Bürgerrechtler Ángel Moya, ehemaliger politischer Gefangener und Ehemann von Berta Soler, Sprecherin der Damen in Weiß, wurde beim Joggen im März 2019 verhaftet und in einem Polizeitransporter durch patrulla horno gefoltert. Als er verlangte, dass die Fenster des Transporters geöffnet werden, wurde er getreten und mit Pfefferspray besprüht.

Ein weiterer Fall ist der der Journalistin Mary Karla Ares, die im April 2021 festgenommen und vier Stunden lang in einem Lieferwagen unter direkter Sonneneinstrahlung eingesperrt und durch Schläge auf den Kopf misshandelt wurde. Bei Vorerkrankungen der Opfer können die Folgen lebensbedrohlich werden. Wie zum Beispiel in dem Fall des bekannten LGBTI-Aktivisten und Mitglied der San Isidro Bewegung Adrian Rúbio, der an Bluthochdruck und Diabetes leidet. Daher war er einer lebensbedrohlichen Gefahr ausgesetzt, als er am 20. April 2021 Opfer der patrulla horno wurde. Sein Gesundheitszustand hat sich durch die Folter akut verschlechtert.

Zwischen September 2013 und April 2021 ist es laut einer Analyse des Journalisten Yoe Suárez in Kooperation mit der journalistischen Initiative Connectas 117 Mal zum Einsatz dieser Folterpraxis gekommen, von einer weit höheren Dunkelziffer muss jedoch ausgegangen werden. In den ersten Jahren der Regierung Díaz-Canel gab es eine massive Häufung der Fälle. Der Studie liegen über 300 einzelne Berichte von Menschenrechtsorganisationen, Pressemitteilungen, Zeugenaussagen in sozialen Medien und Interviews mit Opfern zugrunde. Die IGFM, die auf Kuba durch eine Sektion vertreten ist, kritisiert, dass aufgrund der systematischen Folter und des Anstiegs der Fälle die Folter auf Kuba selbst nicht mehr als berichtenswert angesehen wird und damit auch die internationale Aufmerksamkeit verloren ginge.

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