Der 2009 gegründeter Instant-Messaging-Dienst „WhatsApp“ hat über zwei Milliarden aktive Nutzer. In mehr als einhundert Ländern ist er der beliebteste Messenger, täglich werden bis zu sechzig Milliarden Nachrichten versschickt. Dazu zählen neben reinen Textnachrichten natürlich auch Fotos, Videos, Sticker und Sprachnachrichten. In Lateinamerika ist „Whatsapp“ der Vertriebskanal Nr. 1., den Menschen in der Region ist der persönliche Kontakt wichtig. Rund zwei Drittel der Lateinamerikaner haben „Whatsapp“ schon vor der Corona-Krise genutzt, bei den 15- bis 25-Jährigen lag der Anteil sogar bei mehr als achtzig Prozent. Textmessenger verführen Jugendliche nicht automatisch dazu, sämtliche sprachlichen Regeln über Bord zu werfen. Im Gegenteil: Je nach Kontext gelten auch in der digitalen Kommunikation Rechtschreibfehler als peinlich und unzählige Emojis als überflüssig. Jugendliche sind sich sehr bewusst, was in welchen Situationen angemessen ist, wie eine Studie des Linguisten Dr. Florian Busch von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) zeigt. Darin zeigt er auch, wie Emojis digitale Gespräche bereichern und gleichzeitig komplexer machen können. Die Studie ist im Vorfeld des Welt-Emoji-Tags am Samstag, 17. Juli, bei De Gruyter erschienen.
Kurznachrichtendienste, wie WhatsApp oder Telegram, zählen zu den beliebtesten Apps bei Jugendlichen. „Häufig beginnt und endet ihr Tag mit dem Blick auf das Smartphone – und damit auch mit den Messengerdiensten“, sagt der Linguist Dr. Florian Busch von der MLU. Im Rahmen seiner Promotion untersuchte er die schriftliche Kommunikation von Jugendlichen im Netz und in der Schule und befragte rund 200 Schülerinnen und Schüler nach ihrem Mediennutzungsverhalten, analysierte mehr als 19.000 Textnachrichten aus WhatsApp sowie knapp 80 Schulaufsätze von ihnen. Außerdem führte er umfangreiche Interviews zu den Fragen, wie Jugendliche in der Schule und in der Freizeit schreiben und wann und warum sie welche sprachlichen Mittel einsetzen.
„Es gibt sehr deutliche Unterschiede zwischen dem Schreiben in der Schule und dem Schreiben mit Freundinnen und Freunden“, fasst Busch zusammen. Während die Schülerinnen und Schüler in ihren Kurznachrichten mit Freundinnen und Freunden meist auf Groß- und Kleinschreibung sowie Kommata verzichten, orientieren sie sich in ihren Schulaufsätzen stark an Rechtschreib- oder Zeichensetzungsregeln. „Es zeigt sich, dass Jugendliche oft sehr wohl über Rechtschreibkompetenz verfügen, in der digitalen Kommunikation aber andere Normen gelten, die ein persönlicheres, adressatengerechtes Kommunizieren ermöglichen“, erklärt Busch. Als völlig bedeutungslos gelte die Rechtschreibung aber auch im Digitalen niemals. „Schreibfehler können auch in WhatsApp als peinlich wahrgenommen werden. Darauf weisen sich die Jugendlichen mitunter gegenseitig hin und korrigieren einander. Ihnen ist wichtig, nicht ungebildet zu wirken“, sagt Busch.
Emojis, wie Smileys und Herzen, nehmen eine wichtige Rolle in der digitalen Kommunikation ein: Knapp ein Viertel aller Textnachrichten enthielt diese. „Entgegen zahlreicher Behauptungen werden Emojis aber in der Regel nicht dafür genutzt, ganze Wörter oder Sätze zu ersetzen“, so Busch. Vielmehr seien sie eine Interpretationshilfe, wie eine Nachricht zu verstehen ist. „An die Stelle von klassischen Satzzeichen tritt hier eine große Zeichenvielfalt, die eine erfolgreiche digitale Kommunikation ermöglicht“, sagt Busch weiter.
Je nach Beziehung der Jugendlichen untereinander können wiederum andere Regeln gelten: „Enge Freunde verzichten mitunter ganz auf den Einsatz von Emojis, weil sie nicht nötig sind, um einander richtig zu verstehen. In weniger engen Beziehungen werden sie verwendet, um die Bedeutung einer Nachricht zu illustrieren“, sagt Busch. Diese Vielfalt ist für die Jugendlichen übrigens Segen und Fluch zugleich: „Das Schreiben in der Schule wird von manchen Jugendlichen als eindimensionaler und in diesem Sinne als einfacher wahrgenommen, weil es mit der Standardsprache nur ein Regelwerk gibt, an dem sie sich orientieren müssen“, sagt Busch. Schriftliche Konversationen über WhatsApp seien da deutlich komplexer: „Hier gibt es viel mehr Möglichkeiten und Nuancen, mit denen Bedeutung transportiert werden kann.“ Das mache es deutlich schwieriger, immer den richtigen Ton zu treffen.
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