Durch die Verschiebung zweier Kontinentalplatten entstehen und verändern sich die Anden seit Millionen Jahren. Doch welche geodynamischen Prozesse laufen dabei ab? Ein Forschungsteam der Universität Hamburg stellt mithilfe von Laborexperimenten das bisherige Modell der Entstehung der Südanden in Frage. Die Ergebnisse wurden in der Nature-Publikation „Communications Earth & Environment“ veröffentlicht. Die Anden, die sich von Venezuela über Peru bis nach Chile erstrecken, sind mit mehr als 7.000 Kilometern die längste kontinentale Gebirgskette der Welt. Sie entstanden und entstehen nach wie vor, weil sich von Westen die sogenannte Nazca-Platte schräg unter die größere Südamerikanische Platte schiebt: ein Vorgang, der Subduktion genannt wird und dazu führt, dass sich durch den Druck die Erdkruste am Rand der oberen Platte zum Gebirge auffaltet. Die Nazca-Platte schiebt sich aber nicht nur nach unten, sondern auch leicht schief nach Norden unter den südamerikanischen Kontinent. Wie sich diese Kräfte speziell auf die Südanden auswirken, stand im Fokus der aktuellen Studie.
Untersuchungsgebiet war ein rund 1500 mal 300 Kilometer großer Teil der Südanden in Chile und Argentinien, wo die Kräfte der Subduktion besonders stark wirken. „Bisher ging man davon aus, dass durch die schiefe Subduktion der Nazca-Platte nur der unmittelbar am Plattenrand gelegene Teil des Gebirges nach Norden verschoben wurde“, erläutert Oliver Eisermann aus der Arbeitsgruppe Strukturgeologie der Universität Hamburg. Vereinzelte Verschiebungen geologischer Formationen, die sich in sogenannten Störungen manifestieren, hätten diese Vermutung nahegelegt. „Das Muster der tektonischen Störungen im gesamten Gebirge deutet aber auf eine weit komplexere Deformation der Erdkruste und damit eine andere Hypothese hin – und die konnten wir mit unseren Modellen bestätigen“, so Eisermann, Erstautor der Studie, die auf Forschung im Rahmen seiner Masterarbeit beruht.
Im Labor für experimentelle Tektonik am Fachbereich für Erdsystemwissenschaften der Universität bildeten die Forscher in einem speziellen Behälter mithilfe von Sand und einem Gemisch aus Silikon und dem Mineral Korund den mechanischen Aufbau der Erdkruste nach. Ausgangspunkt war die Kruste von Südamerika vor der Gebirgsbildung. Mit einem Stempel wurden die Materialien schief in die Box gedrückt, um die Deformation durch die Subduktion der Nazca-Platte zu simulieren. Zeit und Richtung waren im Experiment an den Maßstab in der Natur angepasst. So wurden – analog und nicht im Computer – mehrere Millionen Jahre Gebirgsentstehung nachgebildet.
Das Ergebnis: Im Versuch entstand eine Gebirgsoberfläche mit einem Netz komplex verzweigter Deformationszonen, dessen Muster dem in den Südanden sichtbaren Netz ähnelt. Doch die Nordverschiebung eines großen Gebirgsblockes ausschließlich entlang einer einzigen, kontinentalrand-parallelen Deformationszone stellte sich nicht ein. „Unser Modell zeigt, dass sich die Nordverschiebung der Erdkruste an der Plattengrenze nicht – wie bisher angenommen – nur entlang einer einzigen Zone auswirkt, sondern über eine Vielzahl von unterschiedlich orientierten Deformationszonen über die gesamten Südanden verteilt ist“, so Eisermann.
„Unsere Experimente bestätigen auch, dass die Festigkeit der Erdkruste in den Südanden sehr variabel ist. Diese Variabilität erklärt das Muster der heutigen tektonischen Verschiebungen, das GPS-Daten zeigen“, sagt Prof. Dr. Ulrich Riller, Leiter der Arbeitsgruppe Strukturgeologie und Mitautor der Studie. „Nun müssen auch die Auswirkungen der tektonischen Prozesse auf den Vulkanismus der Südanden lokal untersucht werden, um ein Gesamtbild für die tektonisch und vulkanisch aktive Region zu erstellen“, ergänzt Eisermann.
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