Neue Schätzung der Anzahl an Baumarten auf der Erde

baum

Den neuen Schätzungen zufolge gibt es auf der Erde rund 73.300 Baumarten (Fotos: Latinapress)
Datum: 02. Februar 2022
Uhrzeit: 12:04 Uhr
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Autor: Redaktion
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Wie viele Arten die Erde bevölkern, ist eine der grundlegendsten Fragen der Ökologie. Sie ist noch immer ungelöst, selbst bei bislang gut untersuchten Lebensformen wie Bäumen. Nun haben Forschende aus aller Welt unter Beteiligung von Martin Herold vom Deutschen GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ) im Fachmagazin PNAS ihre Daten zusammengetragen und eine neue Schätzung für die Anzahl der Baumarten vorgelegt – auf biologischer, kontinentaler und globaler Skala. Den neuen Schätzungen zufolge gibt es auf der Erde rund 73.300 Baumarten, 14 Prozent mehr als bislang angenommen. Etwa 9.000 davon müssten noch entdeckt werden, 40 Prozent davon – so die Erwartung der Forschenden – in Südamerika. Nicht nur ein Drittel der bislang bekannten, auch die meisten unentdeckten Arten seien selten, nur auf bestimmten Kontinenten verbreitet und tropisch oder subtropisch. Die Schätzung der Anzahl der Baumarten ist von grundlegener Bedeutung für unser Verständnis vom Funktionieren von Ökosystemen und für die Optimierung und Priorisierung von Waldschutzmaßnahmen auf der ganzen Welt.

Hintergrund Artenvielfalt

Das Wissen um das Ausmaß der Artenvielfalt ist in mehrfacher Hinsicht nützlich. Erstens lassen sich daraus die evolutionären Mechanismen ableiten, die zur Vielfalt geführt haben – eine wichtige Grundlage für Vorhersagen künftiger Entwicklungen. Zweitens können sie helfen zu identifizieren, welche Systeme am widerstandsfähigsten gegenüber globalen Veränderungen sind. Und drittens ist eine Idee vom Ausmaß bislang unentdeckter und seltener Arten, die stärker vom Aussterben bedroht sind, wichtig für Maßnahmen zur Bewahrung der biologischen Vielfalt. So lässt sich auch quantifizieren, wie beispielsweise regionale Erhaltungsmaßnahmen wirken. Und Möglichkeiten zur Vorhersage des Aussterbens, zum Management von Hotspots der Vielfalt oder zur Sammlung von Keimplasma können verbessert werden.

1994 gab sich der renommierte theoretische Ökologe Robert May von der Universität Oxford optimistisch, dass man bis zum Jahr 2044 die Anzahl der derzeit auf der Erde existierenden Arten ungefähr kennen dürfte. Davon ist man aktuell allerdings auch bei so wichtigen und gut untersuchten Lebensformen wie den Bäumen noch ein gutes Stück entfernt. Sie erbringen eine Fülle von Ökosystemleistungen für den Menschen und unterstützen einen Großteil der terrestrischen Artenvielfalt. Insbesondere fehlt es an einem systematisierten Vorgehen. Unter anderem erweist es sich als problematisch, dass lokale Wissens-Ressourcen oft nicht so einfach für globale Fragestellungen genutzt werden beziehungsweise vorhandene Daten nicht einheitlich auswertbar sind.

Neue Schätzung auf Basis weltweit zusammengetragener Daten

In den vergangenen Jahren hat die Global Forest & Biodiversity Initiative (GFBI) nun von Forschenden aus aller Welt Daten zur Artenvielfalt von Bäumen zusammengetragen und im Rahmen der jetzt publizierten Studie systematisiert sowie nach biologischen, kontinentalen und globalen Aspekten ausgewertet. Diese Datenbank basiert im Wesentlichen auf Messungen und Zählungen im Gelände. Martin Herold hat dazu beispielsweise Messungen aus verschiedenen Gebieten in den Tropen und Subtropen beigetragen. Die Federführung lag bei Roberto Cazzolla Gatti (Purdue University (USA) und University of Bologna (Italien)) und Peter B. Reich (Unversity of Minnesota (USA)).

Auf dieser Grundlage haben die Forschenden die Artenvielfalt bei Bäumen neu geschätzt. Demnach gibt es weltweit rund 73.000 Baumarten, etwa 14 Prozent mehr als bislang angenommen. Hiervon müssten rund 9.000 erst noch entdeckt werden. Die Forschenden erwarten, dass ungefähr 40 Prozent der unentdeckten Baumarten in Südamerika leben. Fast ein Drittel aller entdeckten Baumarten – und ein Großteil der unentdeckten – sind selten: Sie haben nur sehr geringe Populationen und sind räumlich begrenzt verbreitet, wahrscheinlich in abgelegenen tropischen Tieflandgebieten und Gebirgen. „Der Beitrag seltener Arten zu den Ökosystemleistungen ist bedeutsam und ein Thema aktiver Forschung. Unsere Ergebnisse verdeutlichen die Vielfalt aber auch die Anfälligkeit der globalen Waldbiodiversität gegenüber anthropogenen Veränderungen der Landnutzung und des Klimas, die seltene Arten und damit den globalen Baumreichtum bedrohen“, schreiben die Forschenden.

Auf kontinentaler Ebene zeichnen die Forschenden das folgende Bild der Artenvielfalt: Etwa 43 Prozent aller Baumarten der Erde kommen in Südamerika vor, gefolgt von Eurasien (22 %), Afrika (16 %), Nordamerika (15 %) und Ozeanien (11 %). Allerdings verweisen die Forschenden darauf, das auch die neuen Schätzwerte mit Ungenauigkeiten verbunden sind: „Diese Studie beschleunigt unsere Wissenschaft durch die Schätzung des globalen Baumreichtums mit einem umfangreicheren Datensatz und fortschrittlicheren statistischen Methoden als frühere Versuche. Allerdings sind sowohl die zugrundeliegenden Daten als auch die Schätzer und Anpassungen unvollkommen.“

Zukünftige Aufgaben und Ausbau neuer Messmethoden

„Die Europäischen Wälder kennen wir besser, hier ist die Artenvielfalt relativ gut erforscht“, sagt Martin Herold, neuer Leiter der GFZ-Sektion „Fernerkundung und Geofinformatik“. Insbesondere in den Tropen, wo die Artenvielfalt weltweit am größten ist, gebe es jedoch noch viele Gebiete, die bislang nicht systematisch erfasst wurden. „Wichtig ist, dass wir in der Wissenschaftscommunity das gemeinsame Ziel haben, auch die Unbekannten Arten künftig systematisch zu erfassen“, betont Herold. Nur so ließen sich grundlegende Erkenntnisse über die Vielfalt des Lebens auf unserem Planeten und ihre notwendige Erhaltung verbessern.

„Wichtige Grundlage hierfür ist eine nächste Generation an Messmethoden“, erläutert Herold. Dazu gehört auch das Laserscanning, das am GFZ künftig weiter ausgebaut werden wird: Vom Boden, via Drohne oder Satellit kann hiermit ein 3D-Abbild es Waldes erzeugt werden, so dass virtuelle Begehungen und genauere strukturelle Analysen möglich werden. Hier wird das GFZ in den nächsten Jahren weiter global aktiv.

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