Die himmelhohen Preise für Düngemittel haben dazu geführt, dass Landwirte auf der ganzen Welt den Einsatz von Düngemitteln einschränken und ihre Anbauflächen verkleinern – eine Folge des Ukraine-Russland-Konflikts, der Vertreter der Agrarindustrie vor Nahrungsmittelknappheit warnen lässt. Die Sanktionen des Westens gegen Russland, einen wichtigen Exporteur von Kali, Ammoniak, Harnstoff und anderen Bodennährstoffen, haben die Lieferungen dieser in der Land- und Forstwirtschaft wichtigen Reinstoffe und Stoffgemische in alle Welt unterbrochen. Düngemittel sind der Schlüssel zu hohen Erträgen bei Mais, Soja, Reis und Weizen. Die Landwirte versuchen verzweifelt, sich darauf einzustellen.
In Brasilien, einem landwirtschaftlichen Kraftzentrum, düngen einige Landwirte ihren Mais weniger und einige Gesetzgeber drängen darauf, geschütztes indigenes Land für den Abbau von Kali zu öffnen. In Simbabwe und Kenia gehen Kleinbauern wieder dazu über, ihre Pflanzen mit Dung zu versorgen. Auch anderswo gehen die Landwirte ähnliche Wege. „Reuters“ sprach mit zahlreichen Produtenten auf sechs Kontinenten, darunter Getreideproduzenten, Agraranalysten, Händler und landwirtschaftliche Verbände. Alle äußerten sich besorgt über die Kosten und die Verfügbarkeit von Düngemitteln. Allein in den Vereinigten Staaten dürften die Kosten für Düngemittel in diesem Jahr um 12 % und 2023 um 17 % steigen, so die Daten der American Farm Bureau Federation und des US-Landwirtschaftsministeriums (U.S. Department of Agriculture, USDA).
Einige Landwirte erwägen die Umstellung auf Pflanzen, die weniger Nährstoffe benötigen. Andere planen, weniger Anbauflächen zu bestellen. Wieder andere wollen einfach weniger Dünger verwenden, eine Strategie, die nach Ansicht von Pflanzenexperten die Erträge beeinträchtigen wird. Am stärksten gefährdet ist die Produktion in den Entwicklungsländern, deren Landwirte über weniger finanzielle Mittel verfügen, um dem Sturm zu trotzen. Letzte Woche rief Peru aus Angst vor einer unsicheren Lebensmittelversorgung den Notstand im Landwirtschaftssektor aus. In dem Erlass heißt es, dass die Anbauflächen des Landes seit August aufgrund steigender Düngemittelpreise um 0,2 % zurückgegangen sind und dass die Menge des Getreides, das Peru für die Tierfütterung importiert, aus Kostengründen ebenfalls zurückgegangen ist. Die Regierung arbeitet nun einen Plan aus, um die Nahrungsmittelversorgung des Landes zu verbessern.
Die weltweiten Düngemittelpreise waren bereits vor dem Einmarsch Russlands in sein Nachbarland am 24. Februar hoch, da die Rekordpreise für Erdgas und Kohle einige Düngemittelhersteller dazu zwangen, ihre Produktion in diesem energieintensiven Sektor zu drosseln. Die westlichen Staaten reagierten mit strengen Wirtschaftssanktionen gegen Russland, während die Vereinigten Staaten und die Europäische Union neue Sanktionen gegen den belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko verhängten, der die russische Offensive unterstützt hat. Die Sanktionen haben den Verkauf von Düngemitteln und Feldfrüchten aus Russland unterbrochen. Viele westliche Banken und Händler halten sich von russischen Lieferungen fern, weil sie befürchten, mit den sich rasch ändernden Vorschriften in Konflikt zu geraten, während die Reedereien die Schwarzmeerregion aus Sicherheitsgründen meiden. Für die weltweite Lebensmittelversorgung bedeutet dies eine doppelte Katastrophe.
Russland und die Ukraine sind wichtige Getreideproduzenten. Auf sie entfallen zusammen etwa 30 % der weltweiten Weizen- und 20 % der Maisexporte. Die Getreidelieferungen durch das Schwarze Meer sind bereits unterbrochen worden. Die ins Stocken geratenen Lieferungen aus diesen beiden Ländern haben dazu beigetragen, die weltweite Lebensmittelinflation in die Höhe zu treiben. Die Weltbank erklärte letzte Woche, dass eine Reihe von Entwicklungsländern aufgrund ihrer hohen Abhängigkeit von ukrainischen Exporten mit kurzfristigen Engpässen bei der Weizenversorgung rechnen müssen. Die Düngemittelkrise ist jedoch in mancher Hinsicht besorgniserregender, da sie die Nahrungsmittelproduktion im Rest der Welt hemmen könnte. Sollte das Düngemittelproblem nicht gelöst und der Handel mit Düngemitteln nicht weitergehen, wird es im nächsten Jahr ein sehr ernstes Problem mit der Lebensmittelversorgung geben.
Leider kein Kommentar vorhanden!