Die Angst des Diktators vor der Wahrheit

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Die kubanische Diktatur hat die Straßen der Insel militarisiert, um eine Zunahme der Proteste zu verhindern (Foto: Twitter)
Datum: 02. Mai 2022
Uhrzeit: 18:16 Uhr
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Autor: Redaktion
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Die Wahrheit brachte sie hinter Gitter: Sie berichten mutig über Menschenrechtsverletzungen, Demonstrationen, Unterdrückung von Minderheiten oder soziale Missstände – in diktatorisch und autokratisch regierten Ländern stehen regierungskritische Journalisten oft „mit einem Bein im Gefängnis“, so die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM). „Pressefreiheit ist ein hohes Gut, das wir oft als selbstverständlich hinnehmen. In Staaten wie China, dem Iran oder aktuell besonders auch Russland bezahlen Journalisten oft einen hohen Preis, wenn sie die Wahrheit berichten. Die Angst des Diktators vor der veröffentlichen Wahrheit bringt Journalisten in Lebensgefahr. Sie riskieren Berufsverbot, ihre Freiheit oder sogar ihr Leben, um die Bevölkerung über das tatsächliche Geschehen aufzuklären und die Propaganda der Autokraten zu entkräften “, erklärt Martin Lessenthin, Vorstandssprecher der IGFM.

Anlässlich des Internationalen Tags der Pressefreiheit am 3. Mai stellt die in Frankfurt ansässige Menschenrechtsorganisation exemplarisch Journalisten aus China, Belarus, Türkei, dem Iran und Kuba vor, die willkürlich inhaftiert wurden und fordert die Freilassung aller politischen Gefangenen.

Belarus – Zwei Jahre Gefängnis wegen Berichterstattung über Gewalt gegen Demonstranten

Die belarussische Journalistin Katsiaryna Andreeva berichtet seit 2017 für den unabhängigen belarussischen Fernsehkanal Belsat TV. Nach ihrer Berichterstattung im November 2020 über das gewaltsame Vorgehen von Sicherheitskräften gegenüber Demonstranten wurde Andreeva mit ihrer Kollegin Darya Chultsova am 15. November 2020 verhaftet und wegen „Störung des öffentlichen Verkehrs“ am 18. Februar 2021 zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Das Berufungsgericht in Minsk bestätigte das Urteil am 23. April 2021. Die Journalistin ist aktuell im Gefängnis in Homiel inhaftiert. Die Geschichte von Andreeva und Chultsova löste international Empörung aus. So forderte unter anderem die US-Botschaft in Belarus am 8. Februar 2021 in einer Stellungnahme die sofortige Freilassung der beiden Journalistinnen. Seit dem 21. Juni 2021 stehen die für Anklage und Prozess verantwortlichen Personen auf der Sanktionsliste der Europäischen Union gegen Belarus. Für ihre mutige Berichterstattung wurde die Belarussin mehrfach ausgezeichnet, beispielsweise mit dem Axel-Springer-Preis für junge Journalisten. 2020 erhielten Andreeva und Chultsova zudem gemeinsam die Ehrung als Journalistinnen des Jahres in Belarus.

China – Vier Jahre Haft wegen Youtube-Videos aus Wuhan über die Corona-Pandemie

Die Anwältin Zhang Zhan wurde wegen kritischer Berichterstattung über den COVID-19 Ausbruch am 14. Mai 2020 festgenommen und am 28. Dezember 2020 von einem Gericht in Shanghai wegen „Unruhestiftung“ zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt. Die „Bürgerjournalistin“ hatte in insgesamt 122 Youtube-Videos seltene Einblicke in das Geschehen der abgeriegelten Stadt Wuhan gegeben und über die Familien von COVID-19-Infizierten berichtet. Außerdem gab sie internationalen Medien Interviews. Im Oktober 2021 wurde bekannt, dass Zhang Zhan, nach einem Hungerstreik nur noch 40 Kilogramm wog. Die 38-Jährige litt an Unterernährung, schmerzhaften Geschwüren und Flüssigkeitsansammlungen in ihren Gliedmaßen. Während der Haft wurde sie wiederholt gefoltert und misshandelt. Ihre Familie durfte sie nicht besuchen, lediglich zwei Videoanrufe waren erlaubt. Seit ihrem Übertritt zum Christentum im Jahr 2013 hatte sich Zhang Zhan für Menschenrechte eingesetzt und sich politisch engagiert, woraufhin die Behörden ihre Anwaltslizenz einzogen. „Das Recht auf freie Meinungsäußerung wird vom kommunistischen Regime massiv missachtet. Zhang Zhan steht zu ihren Überzeugungen und setzt ihren Hungerstreik fort – wir fürchten um ihr Leben“, so die IGFM.

Türkei – Kurdischer Journalist unter unmenschlichen Bedingungen in Einzelhaft

Der kurdische Journalist Nedim Türfent arbeitete als Korrespondent für die inzwischen verbotene Nachrichtenagentur Dicle Haber Ajansi und hatte es sich zur Aufgabe gemacht, aus den abgelegenen Städten an der Grenze zu Syrien zu berichten. Als es im Jahr 2015 in den mehrheitlich von Kurden bewohnten Gebieten der Türkei zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Demonstranten kam, erhielt er ein Video, das zeigte, wie Sondereinsatzkräfte der türkischen Polizei kurdische Arbeiter auf einer Baustelle in Yüksekova mit Handschellen gefesselt auf den Boden drückten und bedrohten. Er veröffentlichte das Video am 8. August 2015, am 12. Mai 2016 wurde er festgenommen. Während die Anklageschrift aber erst nach 300 Tagen bearbeitet wurde, dauerte der Prozess insgesamt sechs Monate. Obwohl einige Zeugen währenddessen zugaben, zu ihrer Aussage genötigt worden zu sein, wurde Nedim Türfent am 15. Dezember 2017 wegen „Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation“ zu acht Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Das Urteil wurde am 21. Mai 2019 vom Obersten Gerichtshof bestätigt. Nedim Türfent befindet sich seit 2016 unter unmenschlichen Bedingungen in Einzelhaft – sogar Blickkontakt mit den Zellennachbarn ist ihm untersagt. Erst auf Druck seines Anwalts wurde ihm der Hofgang erlaubt. Außerdem darf der Journalist nur alle zwei Wochen einen Anruf tätigen und nur alle zwei Monate Besuch empfangen. Auch während seiner Inhaftierung ist Türfent im Rahmen seiner Möglichkeiten journalistisch tätig. „Obwohl sich die Haftbedingungen im Zuge der Pandemie deutlich verschlechtert haben, hat das Gericht eine „Notevakuierung“ abgelehnt“, erklärt die IGFM besorgt.

Iran – Wegen Artikeln über Misshandlungen im Gefängnis erneute Haftstrafe

Die iranische Journalistin und gewerkschaftsnahe Aktivistin Sepideh Gholian wurde im September 2019 wegen „Versammlung und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit“, „Propaganda gegen den Staat“, „Mitgliedschaft in einer illegalen Vereinigung“ sowie der „Veröffentlichung von Falschnachrichten“ zunächst zu mehr als 19 Jahren Haft verurteilt. Die Haftstrafe wurde später auf fünf Jahre reduziert. Gholian hatte zuvor über selbst erlebte Folter und Misshandlungen während einer vorherigen Gefängnisstrafe berichtet und eine Beschwerde eingereicht. Die Journalistin setzt sich primär für frauen- und arbeitsrechtliche Themen ein. Zuerst war sie in Buschehr im Südiran zusammen mit Schwerverbrechern inhaftiert, wo sie sich im August 2021 mit Covid-19 infizierte. Vom 19. August bis zum 11. Oktober 2021 erhielt sie dann Hafturlaub. Weil sie in dieser Zeit über Twitter auf die unmenschlichen Haftbedingungen im Gefängnis aufmerksam gemacht hatte, musste sie sich im September wegen der „Online-Veröffentlichung von Unwahrheiten” und „Propaganda gegen den Staat” bei der Staatsanwaltschaft in Buschehr melden. Am 11. Oktober wurde Gholian bei einer Hausdurchsuchung erneut verhaftet und ins Evin-Gefängnis gebracht. „Der Iran unterdrückt systematisch jegliche freie Meinungsäußerung und verfolgt jeden, der sich für Frauenrechte und Gleichberechtigung einsetzt“, betont Lessenthin.

Kuba –Statt Meinungsfreiheit Gefängnis oder Zwangsexil

Luis Manuel Otero Alcantara ist eines der führenden Mitglieder der Bürgerrechtsbewegung ‘Movimiento San Isidro’ und einflussreicher Aktivist für freie Meinungsäußerung auf Kuba. Otero Alcántara wurde bereits mehrfach verhaftet. Im Mai 2021 wurde er von Behörden in ein Krankenhaus verlegt und dort über vier Wochen gewaltsam festgehalten. Aktuell sitzt er seit seiner erneuten Festnahme am 11. Juli 2021 unter dem Vorwurf der ‘Anstiftung zu öffentlicher Unruhe” und “Störung der öffentlichen Ordnung” erneut in Haft. Aus Protest gegen seine Inhaftierung hat Otero Alcantara bereits mehrere Male Hunger gestreikt.

Der unabhängige Journalist Esteban Rodríguez wollte am 30. April 2021 zu diesem Zeitpunkt inhaftierten hungerstreikenden Luis Manuel Otero Alcántara besuchen. Die Sicherheitskräfte untersagten dies jedoch und verhafteten Rodríguez gemeinsam mit zehn weiteren Personen. Auf Videoaufnahmen ist zu erkennen, wie Polizisten den Journalisten bei der Festnahme würgen. Weil er sich über das erlittene Unrecht von Opfern staatlicher Repression äußerte, zog er die Aufmerksamkeit des kubanischen Regimes auf sich. Nach seiner Festnahme wurde er in verschiedene Gefängnisse verlegt und galt mehrere Tage als vermisst. Zeitweise war er in Einzelhaft isoliert, trotzdem infizierte er sich mit dem Coronavirus. Aufgrund von Misshandlungen durch das Gefängnispersonal war sein Blutdruck um das sechsfache gestiegen. Im Januar 2022 wurde Esteban Rodríguez zusammen mit seinem Kollegen Hector Valdez aus Kuba verbannt. Im März 2022 erhielten sie Asyl in Mexiko.

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