Senckenberg-Wissenschaftler haben die Auswirkungen des globalen Nahrungsmittelkonsums auf den Verlust von natürlichen Lebensräumen untersucht. Hierfür erstellten sie Handelsprofile für 223 Länder und 191 Feldfrüchte über einen Zeitraum von 15 Jahren. In ihrer Studie zeigen sie, dass die Anbaufläche für Agrarhandel weltweit innerhalb von 13 Jahren von 17 auf über 23 Prozent gewachsen ist. Besonders in Ländern der Tropen und Subtropen erfolgte die Ausweitung dieser Flächen auf Kosten artenreicher Ökosysteme. Importländer in Westeuropa, Nordamerika und dem Nahen Osten tragen so zur Verkleinerung der Lebensräume vieler wertvoller Arten bei. Die jüngste globale Verteilung der landwirtschaftlichen Expansion zeigt zwei Trends: Erstens ist die landwirtschaftliche Expansion in einigen Ländern ausgeprägter als in anderen. Beispielsweise ist die dauerhafte oder vorübergehende Ausdehnung von Ackerland der Haupttreiber der Entwaldung in Lateinamerika, Subsahara-Afrika und Südostasien.
Der Bedarf an Lebensmitteln und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen wird, laut aktueller Studien, von 2010 bis 2050 voraussichtlich um 35 bis 50 Prozent steigen. Dies ist zum einen auf das prognostizierte Wachstum der Weltbevölkerung, aber auch auf strukturelle Veränderungen wie Urbanisierung, steigende Pro-Kopf-Einkommen und damit verbundene Veränderungen in der Zusammensetzung der Ernährung zurückzuführen. „Die steigende Nachfrage nach Lebensmitteln und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen wird die Ökosysteme weltweit zusätzlich unter Druck setzen. Die Vereinten Nationen rechnen hier bis 2050 mit einer Zunahme der landwirtschaftlichen Nutzfläche um voraussichtlich 100 Millionen Hektar“, erklärt Dr. Florian Schwarzmüller vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum Frankfurt (SBiK-F) und fährt fort: „Die Auswirkungen dieser landwirtschaftlichen Expansion auf die biologische Vielfalt sind enorm – schon heute sind mehr als 60 Prozent der Arten, die derzeit von der IUCN auf der Roten Liste als bedroht oder potentiell gefährdet eingestuft werden, direkt von landwirtschaftlichen Aktivitäten betroffen.“
Schwarzmüller hat gemeinsam mit Dr. Thomas Kastner, ebenfalls SBiK-F, den globalen Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen in Bezug auf dessen Auswirkung auf die biologische Vielfalt unter die Lupe genommen. Sie verwendeten globale Handelsdaten der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und erstellten so nationale Handelsprofile für 223 Länder auf der Grundlage von 191 produzierten Gütern und über einen Zeitraum von 15 Jahren. „Die Auswertung der Daten zeigt, dass sich die landwirtschaftlichen Flächen stetig ausweiten, vor allem in tropischen und subtropischen Ländern – auf Kosten von Gebieten mit großer biologischer Vielfalt“, erläutert Schwarzmüller und ergänzt: „Diese Länder exportieren die Güter in die ganze Welt; auch in Regionen die, vor Ort, wenig Verlust von natürlichen Habitaten beklagen müssen, wie zum Beispiel Westeuropa, Nordamerika und der Nahe Osten. Über diese Verbindung tragen importierende Länder so trotzdem zum fortschreitenden Verlust an für die Artenvielfalt so wichtigen natürlichen Lebensräumen bei – fernab ihrer eigenen Grenzen“. Die Studie zeigt auch, dass der vermehrte Anbau für den Export, die Ausweitung der benötigten Agrarflächen und der Verlust von Habitaten in einem sehr direkten Zusammenhang stehen, und dass die Anbaufläche für Exportgüter von 17 Prozent (im Jahr 2000) auf 23,5 Prozent (im Jahr 2013) der gesamten weltweiten Anbaufläche gestiegen ist.
„Diese Entwicklung führt zusammen mit dem Anstieg der Inlandsnachfrage zu einer Reihe von problematischen Entwicklungen, wie der Verringerung des Lebensraums von Tier- und Pflanzenarten. Sie verstärkt außerdem das Ungleichgewicht zwischen den Ländern, die unter Umweltproblemen leiden und denen, die als Konsumierende von den Exportprodukten profitieren. Unsere Analysen können verwendet werden, um neue Biodiversitätsindikatoren auf nationaler Ebene zu entwickeln, welche die Auswirkungen des internationalen Handels explizit berücksichtigen. Solche Maßzahlen können grenzüberschreitende Vereinbarungen zum Schutz der biologischen Vielfalt unterstützen“, schließt Schwarzmüller.
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