Grüner Wasserstoff: Brasilien kann Produktionszentrum für den „Kraftstoff der Zukunft“ werden

pilz-1

Grüner Wasserstoff kann überall dort produziert werden, wo ausreichend Kapazitäten für erneuerbare Energien vorhanden sind und Lateinamerika verfügt über ein großes Potenzial an Wasserkraft, Wind- und Solarenergie (Foto: TotalEren)
Datum: 10. August 2022
Uhrzeit: 07:30 Uhr
Leserecho: 0 Kommentare
Autor: Redaktion
Sprachkurs Portugiesisch (Brasilianisch)

Der grüne Wasserstoff, der als „Treibstoff der Zukunft“ gilt, befindet sich in Brasilien noch in den Anfängen, aber verschiedene Initiativen können das Land in die Weltspitze der Produktion dieser Substanz bringen, die als eine der wichtigsten Alternativen zur Verringerung des Einsatzes von nicht erneuerbaren kohlenstoffhaltigen Quellen gilt, dem Hauptverursacher des Treibhauseffekts und der globalen Erwärmung. Das Thema wird auf der „Fenasucro“, der größten Bioenergiemesse der Welt, diskutiert, die vom 16. bis 19. August im Zanini Events Centre in Sertãozinho (SP) stattfindet. „Der Begriff ‚grün‘ bedeutet, dass der Wasserstoff aus erneuerbaren, emissionsfreien oder kohlenstoffarmen Quellen hergestellt wird“, erklärt Renato Vitalino Gonçalves, Professor am Institut für Physik der Universität von São Paulo (USP) in São Carlos und Projektkoordinator im Forschungszentrum für Innovation bei Treibhausgasen (RGCI).

Grüner Wasserstoff: Was er ist und wie er hergestellt wird

Wasserstoff ist das am häufigsten vorkommende chemische Element auf der Erde und kommt nur in Verbindung mit anderen Elementen vor, z. B. mit Wasser und Sauerstoff, sowie in Verbindung mit Kohlenstoff, um Kohlenwasserstoffe wie Gas, Kohle und Öl zu bilden. Um als Kraftstoff verwendet werden zu können, muss es daher von anderen Molekülen getrennt werden. Grüner Wasserstoff wird aus der Aufspaltung von Molekülen gewonnen, die H2 in der Zusammensetzung enthalten, unterscheidet sich aber vom so genannten grauen Wasserstoff, der in der petrochemischen Industrie und bei der Herstellung von Düngemitteln auf Ammoniakbasis bereits weit verbreitet ist und fossile Quellen, insbesondere Erdgas, nutzt. Bei der nachhaltigen Variante besteht das Produkt aus erneuerbaren Rohstoffen wie Ethanol, Biogas und Vinasse – einem der Rückstände aus den Zuckerrohrmühlen. Der größte Vorteil wäre jedoch die Möglichkeit der Extraktion aus Wasser, so Juliano Bonacin, Professor am Institut für Chemie der Staatlichen Universität von Campinas (Unicamp). In diesem Sinne könnte der Zuckerenergiesektor Restwasser aus seinen Aktivitäten nutzen, wie z. B. das Wasser, das zum Waschen von Zuckerrohr verwendet wird. Der Ausbau des grünen Wasserstoffs würde neue Wege in der Industrie und im Alltag ermöglichen, wie die Herstellung von nachhaltigem Stahl, dem so genannten grünen Stahl, den Ersatz eines Teils des Kochgases und die Betankung von Autos, Lastwagen und anderen Fahrzeugen.

Die ersten Initiativen in Brasilien

Man schätzt, dass zwei bis fünf Prozent des weltweit produzierten Wasserstoffs umweltfreundlich ist, aber in Brasilien ist diese Technologie noch sehr neu. Derzeit gibt es Pilotanlagen, die in der Regel versuchsweise in öffentlich-privaten Partnerschaften betrieben werden. Die meisten befinden sich im Nordosten, weil es dort Wind- und Solarenergieparks gibt, an die Elektrolyseure angeschlossen sind. Im September 2021 kündigte die Regierung von Ceará eine Investition des Unternehmens „EDP do Brasil“ in Höhe von über acht Millionen US-Dollar in eine Anlage für grünen Wasserstoff an, die im Dezember dieses Jahres in Betrieb gehen soll. Ein weiteres Unternehmen ist „Unigel“, das Chemikalien für verschiedene Industriesegmente und Düngemittel herstellt. In Camaçari (BA) baut das Unternehmen eine Anlage für grünen Wasserstoff und eine weitere für die Umwandlung in ein Nebenprodukt, grünes Ammoniak, das von verschiedenen Industriezweigen, darunter auch Unigel selbst, verwendet wird. Die Arbeiten sollen bis Ende 2023 abgeschlossen sein und Anfang 2024 im großen Stil in Betrieb gehen.

Grüner Wasserstoff im Zucker-Energie-Sektor

Mit ausgedehnten Zuckerrohrplantagen und Zuckerenergieanlagen haben Regionen wie Ribeirão Preto (SP) nach Ansicht von Experten das Potenzial, in den kommenden Jahren zu wichtigen Drehscheiben für die Produktion von grünem Wasserstoff (H2) zu werden. „Unsere Region verfügt über die Technologie, nach der die Welt sucht. Man kann nicht über eine Zuckerrohrpflanze oder einen Zuckerrohranbauer sprechen, ohne über Sertãozinho und die Region Ribeirão Preto zu sprechen“, sagt Paulo Montabone, Direktor von „Fenasucro“, einer Organisation, die jährlich Bioenergietechnologien im Landesinneren von São Paulo zusammenführt. Ihm zufolge ist grüner Wasserstoff nicht nur eine nachhaltige Lösung, sondern auch eine Beschäftigungs- und Einkommensalternative für die Betriebe. Demnach kann die Region Ribeirão Preto ein Protagonist bei der Verbreitung von grünem Wasserstoff in anderen Teilen des Landes und auch im Ausland, insbesondere in Europa, sein. In der Region gibt es industrielle Zentren, darunter Zucker- und Ethanolproduktionsanlagen. Die Einführung von Großtechnologien zur Verwendung von Ethanol zur Herstellung von grünem H2 würde die Region zu einem wichtigen Produktionszentrum machen.

Wann sollte die Produktion einheitlich werden?

Fachleute glauben, dass Brasilien in etwa zehn Jahren eine herausragende Stellung auf diesem Markt einnehmen wird. Für Juliano Bonacin von „Unicamp“ wird das Land jedoch bereits in zwei bis vier Jahren in der Lage sein, eine bedeutende Produktion von grünem Wasserstoff zu erzeugen. In der Region Campinas (SP) beispielsweise beginnen Unternehmen, die bereits mit Wasserstoff arbeiten, mit der Umstellung ihrer Verfahren auf die nachhaltige Version des Kraftstoffs. Eine der Herausforderungen ist die Kostensenkung, da die Gewinnung von Wasserstoff viermal teurer ist als die von herkömmlichem Wasserstoff. „Laut der Internationalen Energieagentur müssen wir in den nächsten dreißig Jahren ein Ziel erreichen: die Angleichung der Preise. Und darin liegt die große technologische Herausforderung und die großen Investitionen, die weltweit Billionen von Dollar übersteigen dürften“, analysiert er.
Ein interessanter Weg für die Produktion in Brasilien ist laut Tamar Roitman, Geschäftsführerin des brasilianischen Verbands für Biogas (Abiogás), Biomethan, das aus Biogas gewonnen wird, einem Gasgemisch, das bei der Zersetzung von organischen Materialien wie Müll, Tierkot, Stroh und pflanzlichen Resten wie Bagasse entsteht. Auf diese Weise könnte das Potenzial der Zuckerfabriken, die in verschiedenen Regionen des Landes über Anlagen verfügen, genutzt werden, um Biogas aus Materialien wie Vinasse und Klärschlamm zu erzeugen. Wenn man dieses Gas durch das erneuerbare Gas Biomethan ersetzt, kann man den Wasserstoff auf demselben technologischen Weg vollständig erneuerbar produzieren, da die Prozesse und die Infrastruktur dieselben sind. Dies ist also eine sehr reale Möglichkeit, die sich bereits etabliert hat.

P.S.: Sind Sie bei Facebook? Dann werden Sie jetzt Fan von agência latinapress! Oder abonnieren Sie unseren kostenlosen Newsletter und lassen sich täglich aktuell per Email informieren!

© 2009 - 2024 agência latinapress News & Media. Alle Rechte vorbehalten. Sämtliche Inhalte dieser Webseite sind urheberrechtlich geschützt. Vervielfältigung und Verbreitung nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung von IAP gestattet. Namentlich gekennzeichnete Artikel und Leser- berichte geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Für Einsendungen und Rückmeldungen bitte das Kontaktformular verwenden.

Dies könnte Sie auch interessieren

Kommentarbereich

Hinweis: Dieser Kommentarbereich ist moderiert. Leser haben hier die Möglichkeit, Ihre Meinung zum entsprechenden Artikel abzugeben. Dieser Bereich ist nicht dafür gedacht, andere Personen zu beschimpfen oder zu beleidigen, seiner Wut Ausdruck zu verleihen oder ausschliesslich Links zu Videos, Sozialen Netzwerken und anderen Nachrichtenquellen zu posten. In solchen Fällen behalten wir uns das Recht vor, den Kommentar zu moderieren, zu löschen oder ggf. erst gar nicht zu veröffentlichen.

Leider kein Kommentar vorhanden!

Diese News ist älter als 14 Tage und kann nicht mehr kommentiert werden!