Ein Skandal um gefälschte Pässe in Uruguay hat zu Vorwürfen der politischen Spionage und Korruption geführt. Dies könnte den Ruf des Landes als Vorbild für Stabilität in Lateinamerika gefährden. Der Fall begann im September vergangenen Jahres mit der Verhaftung des persönlichen Leibwächters von Präsident Luis Lacalle Pou, Alejandro Astesiano, der beschuldigt wurde, ein kriminelles Netzwerk zu leiten, das gefälschte Pässe an Ausländer verkaufte, darunter auch an Russen, die nach der Invasion in der Ukraine aus ihrem Land flohen. Der Skandal hat sich inzwischen ausgeweitet, nachdem eine lokale Zeitung Online-Gespräche aus Astesianos Telefon veröffentlicht hat, die darauf hindeuten, dass er seine Regierungskontakte nutzte, um vom Innenministerium entwickelte Software an hochrangige Führungskräfte zu verkaufen, die damit oppositionelle Senatoren ausspionierten.
Diese Kontroversen haben die Frage aufgeworfen, ob die Korruption in Uruguay größer ist als bisher angenommen. Die Aufmerksamkeit richtet sich nun darauf, was Lacalle Pou tun wird, um die Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten und die Beteiligten zur Rechenschaft zu ziehen. „Dies ist ein Schlüsselmoment für Uruguay“, sagte Ricardo Gil Iribarne, ein ehemaliger Beamter zur Korruptionsbekämpfung, der unter der vorherigen linken Regierung die Transparenz- und Ethikbehörde des Landes leitete. „Es geht um viel mehr als um Pässe“, sagte er. Nach Angaben der Ermittler nutzte Astesiano, ein ehemaliger Polizeibeamter, seine engen Beziehungen zum Präsidenten, um falsche Geburtsurkunden zu beschaffen und seine Staatsbürgerschaft zu beantragen. Oberstaatsanwältin Gabriela Fossati erklärte auf einer Pressekonferenz, dass seit 2013 Hunderte von Russen auf diese Weise die uruguayische Staatsbürgerschaft erhalten haben sollen. Seit dem Ausbruch der Pandemie und dem Konflikt in der Ukraine, der eine Welle der Auswanderung aus Russland ausgelöst hat, hat das Programm an Aufmerksamkeit gewonnen.
Auswirkungen
Lacalle Pou hat bestritten, davon gewusst zu haben, dass sein Sicherheitschef seine Position ausgenutzt hat, um gefälschte Dokumente für bis zu 120.000 US-Dollar zu verkaufen und hat versprochen, bei den Ermittlungen zu kooperieren. „Wir sehen den bisherigen Maßnahmen gelassen entgegen“, betonte der Präsident. Doch die durchgesickerten Nachrichten von Astesianos Telefon haben die Situation der Regierung verkompliziert, da sie Mitglieder des Kabinetts zu belasten drohen. Und der Druck auf weitere Beamte, ihre Telefone auszuhändigen, wächst. Innenminister Luis Alberto Héber bestritt bei einer Senatsanhörung im November ein Fehlverhalten. Astesiano sagte, er habe keinen Zugang zu staatlicher Software, die nur für befugte Beamte bestimmt sei und habe seinen Kunden gegenüber nur geblufft. Die Staatsanwälte erklärten allerdings, dass es in diesem Punkt „keine Gewissheit“ gebe.
Zur gleichen Zeit, als sich diese Kontroversen abspielten, wurden andere Nachrichten aus einer separaten Untersuchung bekannt, die offenbar hochrangige Beamte des Außen- und Innenministeriums in die Übergabe von Reisedokumenten an den mutmaßlichen Drogenhändler Sebastian Marset verwickelten. Marset, der mutmaßliche Anführer des Ersten Uruguayischen Kartells (PCU), wird von Interpol wegen des Transports von 16 Tonnen Kokain zwischen Paraguay und Europa gesucht und ist weiterhin auf freiem Fuß. Er wurde 2021 in Dubai verhaftet, als er mit einem gefälschten paraguayischen Pass reiste. Ein neuer uruguayischer Pass wurde Marset im Jahr 2021 schnell ausgestellt, so dass er die VAE legal verlassen konnte. Die stellvertretende Außenministerin Carolina Ache Batlle trat am 19. Dezember unter dem Eindruck der Affäre zurück und die Staatsanwaltschaft untersucht, wie die Dokumente ausgestellt wurden. Linke Oppositionsführer haben den Rücktritt des Innen- und des Außenministers gefordert. „Wenn bekannt war, dass er ein gefährlicher Drogenhändler war und dennoch Vorkehrungen getroffen wurden, damit er Zugang zu einem nationalen Pass hatte, ist das eine unglaubliche Nachlässigkeit“, so Fernando Pereira, Vorsitzender der Partei Frente Amplio.
Die Politikwissenschaftlerin Vicky Gadea sagte, die langfristigen Kosten könnten für die relativ jungen demokratischen Institutionen des Landes „extrem hoch“ sein, wenn die Beteiligten nicht zur Rechenschaft gezogen werden. „Die Menschen in Uruguay haben den Eindruck, dass wir uns auf dem Niveau einiger der stärksten Demokratien der Welt befinden“, so Gadea. Wenn die Menschen „anfangen zu hinterfragen, wie unsere Demokratie funktioniert“, könnte es Jahre dauern, bis das Vertrauen wiederhergestellt ist und der internationale Ruf des Landes nimmt Schaden nimmt. Nach Angaben von Transparency International ist Uruguay nach wie vor das am wenigsten korrupte Land in Lateinamerika. Umfragen zeigen immer wieder, dass die rund 3,5 Millionen Einwohner ein großes Vertrauen in das Justizsystem haben.
„Wir sind die Musterschüler in einer Klasse von Problemkindern“, betonte Gil Iribarne und bezog sich dabei auf die lateinamerikanische Region. Uruguay könnte auf das Niveau anderer Länder wie Brasilien und Kolumbien sinken, in denen das Misstrauen gegenüber den Institutionen wächst, wenn diese Fälle nicht untersucht und die Öffentlichkeit beruhigt wird. Kritiker weisen darauf hin, dass Lacalle Pou versucht habe, die Schwere der Enthüllungen herunterzuspielen. Die Regierung argumentiert, dass sie die Justiz arbeiten lässt und ein Urteil fällen wird. „Die Uruguayer wollen sehen, dass Taten Konsequenzen haben“, bekräftigte Gil Iribarne, „die Öffentlichkeit ist immer noch besorgt und wird wütend“.
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