Zügige Ratifizierung des Freihandelsabkommens mit dem Mercosur gefordert

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Der "Mercado Comum do Sul" ist eine internationale Wirtschaftsorganisation in Lateinamerika, der ein Bruttoinlandsprodukt von über einer Billion US-Dollar (rund 75 % des gesamten BIP des lateinamerikanischen Kontinents) erwirtschaftet. Mitglieder sind Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay (Foto: plenarinho)
Datum: 19. April 2023
Uhrzeit: 13:03 Uhr
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Autor: Redaktion
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Bei einer Anhörung im Wirtschaftsausschuss zum EU-Mercosur-Handelsabkommen hat sich die Mehrheit der sieben Sachverständigen für eine zügige Ratifizierung des Freihandelsabkommens mit den lateinamerikanischen Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay ausgesprochen. Volker Treier, Mitglied der Hauptgeschäftsführung der Deutschen Industrie- und Handelskammer, sagte, es sei bereits sehr viel Zeit vergangenen, in der verhandelt wurde. „Wir sollten jetzt ratifizieren.“ Lateinamerika steige in der Wahrnehmung der international agierenden deutschen Unternehmen; dem Abkommen könne gar keine höhere Bedeutung zukommen. In Bezug auf die Themen Nachhaltigkeit und Sozialstandards sei das, was nun verhandelt wurde, ein modernes Abkommen, sagte Treier. Er warnte davor, dass Abkommen nach den langen Verhandlungen wieder aufzumachen, wie von manchen gefordert werde, um unter anderem den Waldschutz zu verbessern. „Wenn wir das Abkommen jetzt wieder aufschnüren, bekommen wir es nicht mehr zu.“ Es sei am Abkommen nichts verbesserungswürdig.

Kira Potowski, Leiterin der Deutsch-Uruguayischen Industrie- und Handelskammer in Montevideo/Uruguay, gab einen Einblick in die Haltung einer der künftigen Handelspartner der Europäischen Union. Es gebe bereits eine erste Annäherung an China seitens Uruguay, in der Volksrepublik sehe man einen „abschlussfreudigen Partner“. Momentan gingen 50 Prozent der in Uruguays produzierten Güter nach China, berichtete Potowski. Doch das Land schaue sich nach anderen Handelspartnern um: „Hierbei stehen EU-Investitionen im Vordergrund und sind gewollt“, so die Sachverständige. Die EU sei der absolute Wunschpartner, wenn es darum geht, gewisse Standards beim Handel zu implementieren. „Doch Uruguay ist es auch wichtig, dass Verhandlungen auf Augenhöhe geführt werden und nicht einseitig Forderungen gestellt werden“, betone Potowski.

Fernando Brun, Botschafter der Argentinischen Republik in Deutschland, sagte, dass Argentinien das Ziel teile, das EU-Mercosur-Abkommen voranzutreiben. „Die Ratifizierung ist ein notwendiges politisches Signal“, so Brun. Die argentinische Regierung bewerte das Abkommen als sehr positiv. Es gebe jedoch noch Bedenken hinsichtlich der Freihandelsteils. „Das Abkommen kann und muss ein Katalysator für Investitionen in strategischen Sektoren sein.“ Bezüglich der Bedenken zum Waldschutz sagte Brun, dass die im Abkommen enthaltene Deforestationsrichtlinie wichtig sei für den Umweltschutz. „Auch der von Deutschland vorgeschlagene Klimaclub ist besonders wichtig für das Thema Nachhaltigkeit“, sagte der Diplomat. „Es darf jedoch keine einseitige Durchsetzung erfolgen“, warnte Brun. Den Willen zur Zusammenarbeit gebe es auf beiden Seiten. „Zeit haben jedoch nicht mehr viel, das muss klar sein.“

Till Patrik Holterhus, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Leuphana Universität Lüneburg, kam zu dem Schluss, dass ein Freihandelsabkommen besser sei als kein Freihandelsabkommen. Es müsse aber über reine Handelsfragen hinausgehen. „Solche Abkommen ermöglichen immer auch das Einbringen von Faktoren außerhalb des Handels, wie die Nachhaltigkeit.“ Aus seiner Sicht formuliert das Abkommen Normen, die – insbesondere das Nachhaltigkeitskapitel – eine Auslegung erlaubten, die einen effektiven Waldschutz ermöglichen. So könne die EU durch die EU-Verordnung zur Entwaldung und mithilfe ihrer Marktmacht dafür sorgen, dass Produkte, die durch Waldschädigung entstanden sind, nicht nur nicht auf den europäischen Markt gelangen, sondern auch nicht auf andere Märkte.

Katrin Kamin vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel stimmte dem Sachverständigen Treier zu, dass das Abkommen für die deutsche und europäische Wirtschaft eine „immense Bedeutung“ habe. Insbesondere die Absenkung der Zölle sei wichtig, um Spielräume auszunutzen, so Kamin. Weiterhin sei der Zugang zu Rohstoffen als Argument nicht zu vernachlässigen, ebenso wie das geopolitische Gewicht des Abkommens. „Die EU kann ihren Stand festigen und das Abkommen kann ein Gegengewicht bilden zum asiatischen Abkommen RCEP. EU-Mercosur könnte zur zweitgrößten Handelszone der Welt werden“, sagte die Sachverständige.

Constanze Clodius, Leiterin des Vorstandsbüros der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) im Bezirk Berlin-Mark Brandenburg, betonte, dass umfangreiche Handelsabkommen auch effektive und durchsetzbare Regeln zum Schutz von Beschäftigten, Umwelt, Verbraucherinnen und Verbrauchern beinhalten müssten. „Dazu kommt, dass die Situation von Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern, Aktivistinnen und Aktivisten und Minderheiten in den Mercosurstaaten Berücksichtigung finden müssen“, so Clodius. Der vorliegende Text des Nachhaltigkeitskapitels versäume es, eine verpflichtende Ratifizierung der ILO-Kernarbeitsnormen vorzusehen. „Eine reine Selbstverpflichtung garantiert aus unserer Sicht nicht automatisch Nachhaltigkeit, deswegen wäre die Einhaltung und Durchsetzung der Regeln unter verbindlicher Beteiligung der Sozialpartner und der Zivilgesellschaft nötig“, sagte Clodius in der Anhörung.

Lis Cunha, Handelsexpertin Greenpeace e.V., sagte für ihre Organisation, dass man dem Abkommen in seiner jetzigen Form nicht zustimmen könne: „Wir sind der Meinung, dass man das Abkommen in vollen Umfang ablehnen muss.“ Das Abkommen lasse sich auch durch Zusatzabkommen nicht nachhaltiger machen. Bereits jetzt werde in Südamerika die Natur zerstört, Gemeinschaften verdrängt, Artenvielfalt gefährdet und kleinbäuerliche Landwirtschaft verhindert. „Die brasilianische Zivilgesellschaft ist daher gegen das Abkommen, mehr als 100 Gewerkschaften, Umweltverbände und Menschenrechtsorganisationen bezeichnen das Abkommen deshalb als eine ‚eine wahre Katastrophe’“, sagte Cunha.

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