Senckenberg-Forschende haben in ihrer am Dienstag (30.) im Fachjournal „Microbial Ecology“ veröffentlichten Studie ein neues invasionsbiologisches Konzept, die „nested invasions“ (verschachtelte Invasionen) vorgestellt. Anhand des Johnstones Pfeiffrosch zeigen sie, dass das Amphib nicht nur selbst fremde Regionen besiedelt, sondern auch invasive Mikrobiome im Gepäck hat. Die Wissenschaftler*innen liefern damit den ersten umfassenden Datensatz für eine invasive Gemeinschaft und warnen vor den noch unbekannten Einflüssen auf die neu besiedelten Ökosysteme. Tiere tragen Billionen von Bakterien, Viren, Archaeen und Pilzen im Verdauungstrakt und auf der Haut. Diese im Körper liegenden Ökosysteme helfen ihnen, Nährstoffe zu gewinnen, Krankheitserreger zu bekämpfen und ihr Immunsystem zu entwickeln. „Solche ‚Mikrobiome‘ finden sich auch bei Amphibien, insbesondere die aufgrund ihrer Hautatmung feuchte Haut ist hierfür prädestiniert“, erklärt PD Dr. Raffael Ernst von den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen in Dresden und fährt fort: „Uns interessiert wie sich die Mikrobiome von gebietsfremden Arten auf die heimischen Ökosysteme auswirken und welche Rolle sie für eine erfolgreiche Besiedlung der Einwanderer spielen.“
Um dieser Fragestellung nachzugehen hat Ernst mit Erstautorin und Doktorandin Franziska Leonhardt und Forschenden aus München und Stuttgart den Johnstones Pfeiffrosch (Eleutherodactylus johnstonei) unter die Lupe genommen. Der nur etwa 17 bis 35 Millimeter große und ursprünglich auf den Kleinen Antillen beheimatete Frosch ist ein sehr erfolgreicher tierischer Einwanderer, der sich über die gesamte Karibik und weite Teile des Festlandes von Mittel- und Südamerika ausgebreitet hat und auch in botanischen Gärten Europas zu finden ist. „Wir haben das Haut- und Darmmikrobiom von Eleutherodactylus johnstonei aus einheimischen Populationen in St. Lucia und eingewanderten Populationen in Guadeloupe, Kolumbien sowie aus europäischen Gewächshäusern genetisch analysiert. Unsere Ergebnisse zeigen, dass amphibienassoziierte und mikrobielle Umweltgemeinschaften als ‚Meta-Gemeinschaften‘ betrachtet werden können, die miteinander interagieren. Diese Interaktionen mit der Umwelt spielen beim Hautmikrobiom eine größere Rolle als bei dem des Darms“, erläutert Leonhardt die Resultate.
Hohe Anteile von Bakterien können sich zwischen Fröschen und Umwelt ausbreiten, so die Wissenschaftler*innen in ihrer Studie. Sie plädieren dafür, dass der Verbreitung der Mikrobiota durch gebietsfremde Arten mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte, um einer Verbreitung von durch Vektoren übertragenen Krankheitserregern sowie nicht-pathogenen Mikroben vorzubeugen. „Konzepte zur Gemeinschaftsökologie sind das Herzstück eines ganzheitlichen Verständnisses der Dynamik und der Mechanismen biologischer Invasionen. Dies gilt insbesondere für die Bewertung der komplexen und vielfältigen Mikrobiota, die mit den jeweiligen invasiven Arten verbunden sind. Traditionelle Studien haben es bisher weitgehend versäumt, diese verschachtelten Einwanderungen zu berücksichtigen, und daher einen potenziell wichtigen Aspekt von Invasionsprozessen ignoriert. Wir können aber zusammenfassend sagen: Gebietsfremde Arten kommen nicht allein! Unser Ansatz kann die traditionelle Perspektive auf biologische Invasionen ergänzen und erweitern – auch um künftig bessere Schutzmaßnahmen zu ergreifen“, schließt Ernst.
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