Ob monochrone oder polychrone Zeitorientierung, die Enge des Verhältnisses zu Kollegen und Geschäftspartnern oder die Gestaltung von Büroarbeitsplätzen: Es gibt einige Unterschiede zwischen deutscher und brasilianischer Arbeitskultur. Doch wenngleich das Prädikat ‚Made in Germany‘ als besonderer Beleg für eine hohe Produktqualität gilt, erweist sich eine Vielzahl an brasilianischen Ideen als immer lukrativer. Das gilt unter anderem für die Arbeitsplatzgestaltung und das agile Projektmanagement.
Die individuelle Gestaltung des Arbeitsplatzes sorgt für mehr Erfolg
Studien wie solche im UK haben gezeigt: Wer die Möglichkeit hat, seinen Arbeitsplatz individuell zu gestalten, arbeitet auf Dauer deutlich effizienter. Grund genug also, Büromöbel nicht einfach nur in sterile Räume zu stellen und komplett von persönlichen Gegenständen freizuhalten. Vielmehr sind alternative Büroräume, in denen man sich wirklich wohlfühlen und dennoch konstruktiv arbeiten kann, zunehmend gefragt.
Dass Brasilien in dieser Hinsicht vorangeht, beweisen unter anderem das Firmengebäude von Natura in São Paulo (geplant vom Architektur Studio MK27), das von einem zentralen Garten zusammengehalten wird. Hier treffen Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung aufeinander: Die Bepflanzung bildet die lokale Flora und damit die Grundlage für die Produkte ab. Es gibt eine ganze Reihe von Sitzgelegenheiten, Holzstegen und Wasserbecken, die zum entspannten Aufenthalt einladen. Im Gegenzug bestehen die Büromöbel aus natürlichen Materialien – und die Arbeitsplätze und Besprechungstische sind bewusst modular gehalten, sodass bei Bedarf ohne große Umbauarbeiten schnell in Gruppen oder allein gearbeitet werden kann. Apropos Gruppenarbeit und agiles Projektmanagement.
Das agile Projektmanagement als Schlüssel zum zukünftigen Unternehmenserfolg?
Durchaus denkbar, wenn man einer Erhebung der Hochschule Karlsruhe in Deutschland aus dem Jahr 2020 Glauben schenkt. Geleitet wurde diese von Professor Dr. Steffen Kinkel und seinem Team, das am Institut für Lernen und Innovation in Netzwerken (ILIN) forscht. Zwischen Oktober 2019 und Februar 2020 wurden dafür 655 Unternehmen aus 16 Ländern bezüglich der Anwendung von agilen Methoden in ihrem Unternehmen befragt.
Zu den Teilnehmern gehörten kleine, mittlere und große Unternehmen aus
- Nord-, Mittel- und Südamerika (Kanada, USA, Mexiko und Brasilien)
- Asien (Russland, China, Indien, Japan und Südkorea)
- Europa (UK, Schweden, Frankreich, Deutschland, Polen, Italien und Spanien)
wobei die Quoten mit 40 Prozent, 24 Prozent und 36 Prozent zu einer ausgewogenen Stichprobe führte.
Untersucht wurde dabei, inwiefern der Einsatz von agilen Methoden im Zusammenhang mit verschiedenen Charakteristika der Unternehmen stand:
- der Branche
- der Anzahl der Beschäftigten
- der Komplexität der Produkte
- der Produktionsseriengröße
- dem Anteil der für Forschung und Entwicklung von multiplen Regressionsanalysen ausgegeben Gelder
- der Zufriedenheit der Mitarbeiter
- den Erfolgen der Unternehmen (Risikominimierung bei gleichzeitiger Verbesserung der Produktqualität und Beschleunigung der Produktentwicklung)
Die Ergebnisse?
Beeindruckend, wenn man sich die brasilianischen Werte im Vergleich zum Durchschnitt und speziell zu den deutschen Ergebnissen anschaut!
- Beim Einsatz der agilen Entwicklungsmethoden wie Crystal, Kanban oder Scrum lag Brasilien mit 77 Prozent auf dem vierten Platz. Der Durchschnitt lag bei 63 Prozent, der deutsche Wert bei 45 Prozent.
- Design-orientierte Entwicklungsmethoden (etwa Design Thinking, Lean Startup oder User-Centered Design) fanden in 87 Prozent der brasilianischen Unternehmen Anwendung. Das machte Platz drei, während im Durchschnitt in 69 Prozent und in Deutschland lediglich 51 Prozent der Unternehmen darauf zurückgriffen.
- Interne digitale Plattformen, die internes Wissen und dessen Vernetzung nutzen, um Geschäftsmodelle, Dienstleistungen und Produkte zu verbessern und ebenfalls zu vernetzen, nutzten 83 Prozent der brasilianischen Unternehmen. Damit erreichte das Land in diesem Punkt den fünften Platz. Mit 7 Prozent mehr als beim Durchschnitt (76 Prozent) und 20 Prozent mehr als Deutschland (63 Prozent)!
- Last but not least: Offene Plattformen, die externe Teilnehmer an zur Teilnahme an Entwicklungsprozessen einladen, spielen in 79 Prozent der befragten Unternehmen eine Rolle. Platz 6 der teilnehmenden Länder, aber wieder vor dem Durchschnitt (72 Prozent) und klar vor Deutschland (61 Prozent).
Insgesamt ergab sich daraus beim Index für den Einsatz von agilen Methoden ein Wert von 0,82. Platz vier hinter Indien und China, die beide 0,91 erreichten und Südafrika mit einem Wert von 0,84. Und Deutschland? Das landete abgeschlagen mit 0,55 am Schluss.
Fazit
Ob Offenheit für neue Vorschläge und Ideen, kollaboratives und kreativen Arbeiten und eine ausgeprägte Anpassungsfähigkeit an sich verändernde Anforderungen in der Arbeitswelt: In puncto Umsetzung von agilen Methoden und den daraus resultierenden Vorteilen kann sich Deutschland von Brasilien durchaus noch eine Scheibe abschneiden – und das, obwohl die Arbeitslosigkeit in Brasilien höher als die in Deutschland ist.
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