Sprachen sind in den Tropen lauter

laut

n den Sprechblasen steht auf Okanagan Salish (blau) und auf Yoruba (rot) „Hallo”. Salish-Sprachen werden an der Nordwestküste Nordamerikas gesprochen, Yoruba im Südwesten Nigerias / Tine Pape Cluster ROOTS an der CAU
Datum: 06. Dezember 2023
Uhrzeit: 10:14 Uhr
Leserecho: 0 Kommentare
Autor: Redaktion
Sprachkurs Spanisch (Südamerika)

Sprachen sind ein Schlüsselfaktor menschlicher Gesellschaften. Sie verbinden Menschen, dienen der Weitergabe von Wissen und Ideen, aber auch der Abgrenzung zwischen verschiedenen Menschengruppen. Sprachen können daher viel über die Gesellschaften aussagen, die sie verwenden. Da sich Sprachen ständig verändern, ist es wichtig die Faktoren zu kennen, die dabei eine Rolle spielen. Dann können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch vergangene Prozesse anhand von Sprachen rekonstruieren. In der Online-Fachzeitschrift PNAS Nexus erscheint heute eine vom Exzellenzcluster ROOTS an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel geförderte Studie, in der der Kieler Sprachforscher Dr. Søren Wichmann gemeinsam mit Kollegen aus China nachweist, dass die durchschnittlichen Umgebungstemperaturen die Lautstärke bestimmter Sprachlaute beeinflusst. „Vereinfacht gesagt, sind Sprachen in wärmeren Regionen lauter als die in kälteren Regionen“, sagt Dr. Wichmann.

Grundgedanke hinter der Studie ist, dass wir beim Sprechen und Zuhören von Luft umgeben sind. Gesprochene Worte werden durch die Luft als Schallwellen übertragen. Die physikalischen Eigenschaften der Luft beeinflussen also, wie leicht Sprache zu erzeugen und zu hören ist. „So stellt die Trockenheit der kalten Luft einerseits eine Herausforderung für die Produktion stimmhafter Laute dar, die eine Vibration der Stimmbänder erfordern. Andererseits neigt warme Luft dazu, stimmlose Laute zu begrenzen, indem sie deren Hochfrequenzenergie absorbiert“, erklärt Dr. Wichmann. Diese Faktoren könnten eine höhere Lautstärke bestimmter Sprachlaute, in der Fachsprache Sonorität genannt, in wärmeren Klimazonen begünstigen.

Ob sich diese Faktoren tatsächlich auf die Entwicklung von Sprachen auswirken, haben Dr. Wichmann und seine Kollegen anhand der „Automated Similarity Judgment Program“ (ASJP) Datenbank getestet. Sie enthält aktuell den Basis-Wortschatz von 5.293 Sprachen und wird mit Unterstützung des Exzellenzclusters ROOTS stetig erweitert. Dr. Wichmann und seine Kollegen fanden heraus, dass vor allem Sprachen, die um den Äquator vorkommen, eine hohe mittlere Sonorität aufweisen. Den höchsten entsprechenden Index haben Sprachen in Ozeanien und Afrika. Im Gegensatz dazu gehört der Weltrekord für niedrige Sonorität den Salish-Sprachen an der Nordwestküste Nordamerikas. Allerdings gibt es auch einige Ausnahmen von diesem Trend. Beispielsweise gibt es in Mittelamerika und auf dem südostasiatischen Festland Sprachen, die eine eher niedrige mittlere Sonorität aufweisen, obwohl sie in sehr warmen Regionen gesprochen werden.

„Insgesamt konnten wir aber eine deutliche Beziehung zwischen der mittleren Sonorität von Sprachfamilien und der mittleren Jahrestemperatur feststellen“, betont Dr. Wichmann. Die Ausnahmen sprechen dafür, dass sich die Auswirkungen der Temperatur auf die Klangfülle nur langsam entwickeln und die Klänge einer Sprache nur über Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende prägen. Die Wissenschaft diskutiert aktuell intensiv darüber, in welchem Ausmaß die Umwelt Sprachen formt. „Lange ging die Forschung davon aus, dass sprachliche Strukturen in sich geschlossen sind und nicht in irgendeiner Weise von der sozialen oder natürlichen Umwelt beeinflusst werden. Neuere Studien, einschließlich der unseren, beginnen dies in Frage zu stellen“, sagt Dr. Wichmann. Studien wie diese könnten in Zukunft auch neue Erkenntnisse über menschliche Gesellschaften ermöglichen, zum Beispiel zum Thema Migration. „Wenn sich Sprachen in einem langsamen, Jahrtausende dauernden Prozess an die Umwelt anpassen, dann tragen sie einige Hinweise auf die Umwelt ihrer Vorgängersprachen in sich“, sagt der Kieler Sprachforscher.

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