Jenseits der Katastrophe: Medienberichterstattung zum Klimawandel muss kritischer und kontextualisierter sein

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In Südamerika wird es aufgrund des Klimawandels immer heißer und trockener (Foto: Joédson Alves/Agência Brasil)
Datum: 09. Juni 2025
Uhrzeit: 13:21 Uhr
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In den letzten zwei Jahren war Brasilien mit verschiedenen extremen Wetterereignissen konfrontiert, die das Leben Tausender Menschen direkt beeinträchtigten: die historische Dürre im Amazonasgebiet, die Brände im Pantanal und zuletzt die Überschwemmungen im Bundesstaat Rio Grande do Sul. Diese Ereignisse, die oft als einmalige Tragödien behandelt werden, stehen in engem Zusammenhang mit dem Klimawandel und damit auch mit systemischen Problemen, die in politischen, wirtschaftlichen und sozialen Strukturen verwurzelt sind – insbesondere in einem auf Raubkapitalismus basierenden Entwicklungsmodell. Trotzdem wird dem Klimawandel in den traditionellen Medien meist nur während internationaler Veranstaltungen wie der Konferenz der Vertragsparteien der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) mehr Aufmerksamkeit geschenkt.

Die nächste Ausgabe, die COP 30, die im November dieses Jahres in Belém do Pará stattfiundet, ist ein klares Beispiel dafür, wie die Debatte meist von internationalen Agenden und nicht von den lokalen Realitäten bestimmt wird. Um diesem Szenario entgegenzuwirken, ist es unerlässlich, eine kritische und umfassende Klimakommunikation zu fördern, die die strukturellen Ursachen der Krise aufzeigt, verdeutlicht, wie deren Auswirkungen unverhältnismäßig stark auf gefährdete Gemeinschaften – wie indigene und traditionelle Völker – zurückfallen, und alternative Wege zur Eindämmung und Anpassung aufzeigt. Mit diesem Ziel haben Experten eine Untersuchung zu Forschungen über die Kommunikation des Klimawandels in Lateinamerika durchgeführt. Die Studie analysierte 38 wissenschaftliche Publikationen und identifizierte Muster in der journalistischen Berichterstattung zu diesem Thema, wobei der Schwerpunkt auf Brasilien lag, sowie Herausforderungen und Empfehlungen, die zur Verbesserung der Berichterstattung beitragen können – auch über den Kontext der COP 30 hinaus.

Klimadiskurse in den Medien: zwischen Katastrophismus und technologischem Optimismus

In den analysierten Studien wurde festgestellt, dass der vorherrschende Diskurs in der Medienberichterstattung über den Klimawandel von Katastrophismus geprägt ist. Alarmistische Schlagzeilen, übermäßige Verwendung dramatischer Informationen und die Fokussierung auf „brisante” Aussagen tragen dazu bei, Angst zu schüren, aber nicht unbedingt Verständnis zu wecken. Dieser Ansatz kann laut den Forschern die Bildung einer kritischen Sichtweise der Öffentlichkeit auf das Problem erschweren. Ein weiteres wiederkehrendes Muster ist der sogenannte „technologische Optimismus”. Die Medien präsentieren häufig Lösungen für die Klimakrise, die auf technologischen Fortschritten und Versprechungen des Wirtschaftswachstums basieren, und spielen dabei die Grenzen der Natur und die damit verbundenen sozialen Ungleichheiten herunter.

Dieser Diskurs, der einer neoliberalen Entwicklungslogik folgt, ignoriert nachhaltige Alternativen, die auf dem Wissen lokaler und traditioneller Gemeinschaften basieren. Ein weiteres Problem ist die fehlende Kontextualisierung: Der Klimawandel wird als isoliertes Ereignis berichtet, losgelöst von seinen historischen, politischen und wirtschaftlichen Determinanten. Die Berichterstattung tendiert dazu, Aussagen von Behörden oder die Agenda von Veranstaltungen wie der COP in den Vordergrund zu stellen, wobei der Vielfalt der Stimmen, die die Gesellschaft ausmachen, wenig Raum gegeben wird.

Es mangelt an vielfältigen Quellen und Perspektiven zum Thema Klima

Ein Großteil der Untersuchungen wies auf einen erheblichen Mangel an Quellen hin, die die vom Klimawandel am stärksten betroffenen Gruppen repräsentieren – wie indigene Gemeinschaften, Quilombolas, Kleinbauern und Bewohner von Randgebieten. Diese Unsichtbarkeit führt zu einem Ungleichgewicht in der journalistischen Berichterstattung und trägt zur Aufrechterhaltung einer vorherrschenden Sichtweise bei. Die in einigen dieser Studien befragten Journalisten räumten die Grenzen ihrer Berichterstattung ein. Sie berichteten von Zeitmangel, fehlenden Ressourcen und mangelnder redaktioneller Unterstützung, um das Thema vertiefen zu können, sowie von Produktivitätsdruck und der Notwendigkeit, schnell zu arbeiten, insbesondere im digitalen Umfeld. Dies verstärkt oberflächliche Muster und erschwert die Ausübung eines analytischeren und transformativeren Umweltjournalismus.

Wege zu einer faireren und kritischeren Berichterstattung

Ausgehend von den identifizierten Herausforderungen schlagen die untersuchten Studien verschiedene Empfehlungen vor. Die wichtigste davon ist die Notwendigkeit, den Klimawandel in einen Kontext zu stellen – ihn mit dem Alltag der Menschen zu verbinden und als Teil eines historischen Prozesses zu erklären, der politische Entscheidungen und wirtschaftliche Interessen umfasst. Die Behandlung des Klimas als technisches und isoliertes Problem schwächt die Möglichkeit sozialer Mobilisierung und demokratischer Teilhabe. Ein weiterer zentraler Punkt ist die Erweiterung der Vielfalt journalistischer Quellen. Es ist dringend notwendig, mehr als nur sogenannte Experten und Behörden zu hören: Es gilt, den Menschen, den Regionen und den bereits bestehenden Widerstandsbewegungen Gehör zu verschaffen. Das bedeutet, Raum für Stimmen zu schaffen, die in den großen Medien normalerweise marginalisiert werden.

Neben diesen Empfehlungen wird eine wichtige Überlegung hinzugefügt: Was können die Mainstream-Medien von unabhängigen und alternativen Medien lernen? In Brasilien erweitern journalistische Initiativen außerhalb der hegemonialen Medien den Raum für kritischere, inklusivere und kontextualisierte Narrative. Diese Projekte wertschätzen lokales Wissen, prangern soziale und ökologische Ungerechtigkeiten an und fördern eine Berichterstattung, die näher an der Realität derjenigen ist, die am meisten unter der Klimakrise leiden. Es wurden auch ähnliche Initiativen in anderen lateinamerikanischen Ländern wie Peru und Bolivien untersucht, die mit Brasilien einen Kontext teilen, der durch intensive Ausbeutung der natürlichen Ressourcen und Gewalt gegen indigene Völker geprägt ist. In diesen Ländern wurde festgestellt, dass Journalisten unabhängiger Medien historisch marginalisierten Stimmen, wie denen indigener Völker und Frauen, Vorrang einräumen und eine redaktionelle Haltung einnehmen, die sich der sozialen Gerechtigkeit verpflichtet fühlt. Anstelle von scheinbarer Neutralität positionieren sich diese Fachleute gegen Ungerechtigkeiten und betreiben einen gegenhegemonialen Journalismus, der die strukturellen Wurzeln der Krise sichtbar machen will.

Diese Art von Journalismus darf keine Ausnahme sein und darf nicht nur in Momenten wie der COP 30 existieren. Umweltberichterstattung ist ein wesentliches Instrument zur Stärkung der Demokratie. Und eine gut informierte Gesellschaft ist eine Gesellschaft, die besser in der Lage ist, die Art und Weise, wie wir leben, produzieren und mit dem Planeten umgehen, zum Besseren zu verändern.

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