Inmitten der kristallklaren Gewässer von Costa Rica erregte eine ungewöhnliche Begegnung die Aufmerksamkeit von Forschern und Fischern: ein Sandbankhai (Ginglymostoma cirratum) mit intensiv orangefarbener Haut und komplett weißen Augen. Das etwa zwei Meter lange Tier wurde letztes Jahr bei einem Sportfischen in der Nähe des Tortuguero-Nationalparks gesichtet, erlangte jedoch erst nach der Veröffentlichung einer Studie in der Zeitschrift Springer Nature Anfang August, die von Forschern der Bundesuniversität von Rio Grande (FURG), der Nationalen Experimentellen Universität Rómulo Gallego in Venezuela und dem Zentrum für die Rettung vom Aussterben bedrohter Meerestiere in Costa Rica durchgeführt wurde. Die Analyse der Bilder ergab, dass es sich um den ersten Fall von Xantismus in Kombination mit Albinismus bei einem knorpelförmigen Tier handelte. Xantismus ist eine äußerst seltene genetische Erkrankung, die durch eine übermäßige gelbe oder goldene Pigmentierung der Haut gekennzeichnet ist, während Albinismus die Augen betrifft und diese hell und empfindlicher macht. Obwohl vereinzelte Fälle bereits bei Süßwasserfischen wie Guppys und Cichliden sowie bei Vögeln wie Papageien und Kanarienvögeln und einigen Reptilien mit gelben Schuppen beschrieben wurden, war dies bei Haien oder Rochen, die zur Gruppe der Knorpelfische gehören, noch nie beobachtet worden.
Damals veröffentlichten Fischer der Gruppe Parismina Domus Dei Bilder des ungewöhnlichen Hais auf Facebook und fragten, ob jemand schon einmal ein Exemplar dieser Farbe gesehen habe. Der Beitrag verbreitete sich schnell, aber die Fragen blieben bis zur Veröffentlichung der Studie unbeantwortet. Unter normalen Bedingungen haben Sandhaie eine hellbraune bis dunkle Färbung, die ihnen eine natürliche Tarnung in den Riffen und auf den felsigen Meeresböden bietet, wo sie normalerweise jagen. Eine so auffällige Pigmentierung wie die dieses orangefarbenen Exemplars erschwert in der Regel das Überleben in der Natur, da das Tier für Raubtiere oder mögliche Beutetiere besser sichtbar ist. Die Tatsache, dass es ohne erkennbare Beeinträchtigungen das Erwachsenenalter erreicht hat, überraschte die Forscher. „Die Entdeckung eines oranmgenen Riffhais wirft wichtige Fragen zur Genetik und Anpassungsfähigkeit dieser Haie auf. Ist dies ein Einzelfall oder könnte es auf einen neuen genetischen Trend in der lokalen Population hindeuten?“, fragt die Studie.
Albinismus an sich stellt ebenfalls eine große Herausforderung dar: Das Fehlen von Melanin lässt Haut, Schuppen oder Haare blass erscheinen und erhöht die Empfindlichkeit gegenüber Sonnenlicht. Laut der Studie werden diese Tiere in der Natur eher zu leichten Beutetieren und können Schwierigkeiten bei der Fortpflanzung haben. Xantismus hingegen ist zwar optisch auffällig, bringt jedoch in der Regel keine adaptiven Vorteile mit sich, weshalb es so selten vorkommt, dass erwachsene Individuen diese Merkmale aufweisen, geschweige denn beide zusammen. Den Forschern zufolge gibt es keine Hinweise darauf, dass diese ungewöhnliche Pigmentierung dem Hai einen direkten Vorteil verschafft, aber der Fall ebnet den Weg für Untersuchungen zu möglichen genetischen oder umweltbedingten Faktoren, die diese Anomalien beeinflussen könnten. Bislang waren Fälle von Xantismus im Tierreich äußerst selten, doch mit diesem Fund in Costa Rica erhält die wissenschaftliche Gemeinschaft nun eine einmalige Gelegenheit, die genetische Vielfalt und die evolutionären Variationen der Meerespopulationen besser zu verstehen. Weitere Studien sind erforderlich, um die wichtigste Frage des Artikels zu beantworten: Handelt es sich nur um einen Einzelfall oder um ein Merkmal, das in der Population der Riffhaie in dieser Region zunehmend auftritt?
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