Vanessa Lorenz ist mit einem blauen Auge davongekommen, doch die Bilder wird sie vermutlich ihr Leben lang nicht vergessen. Die 36-jährige Deutsche lebt im Bundesstaat Rio de Janeiro, in dem in der vergangenen Woche bei der schlimmsten Naturkatastrophe in der Geschichte Brasiliens vermutlich mehr als 700 Menschen ums Leben kamen. Aus ihrer Wohnung im dritten Stock musste sie zunächst hilflos mit ansehen, wie die Stadt Nova Friburgo, die fast die Hälfte aller Toten zu beklagen hat, in einer gigantischen Flutwelle versank. Nur Stunden später wurde sie Zeuge der gewaltigen Erdrutsche, welche hunderte Häuser samt ihrer Bewohner unter sich begruben.
„Es war grauenhaft. Riesige Schlammlawinen wälzten sich über die Häuser und Straßen am Stadtrand. Schnell und unbarmherzig. Man hörte Schreie von Menschen“ beschreibt sie ihre Eindrücke der Horror-Nacht. Sechs Wochen habe es fast jeden Tag geregnet, doch am vergangenen Dienstag, dem 11. Januar sei es besonders schlimm gewesen. Von ihrer Wohnung an der Uferpromenade im Zentrum der Stadt aus habe sie am Abend zunächst mit Bangen beobachtet, dass der Fluss immer schneller geflossen sei und mit rasender Geschwindigkeit anstieg.
„Als er die Unterkante der Brücke erreicht hatte, wussten wir, dass das kein Spaß mehr war“ berichtet sie im Gespräch mit agência latina press. Gegen Mitternacht sei dann der Strom ausgefallen, völlig Finsternis habe über der Stadt gelegen. Die grausige Szenerie der sich ausbreitenden Wassermassen sei in der pechschwarzen Nacht nur durch Blitze erhellt worden. Hilflos mussten Vanessa und ihr Mann mit ansehen, wie das Wasser immer weiter stieg. Längst war auch die Tiefgarage ihres Hauses voll gelaufen, die Ladengeschäfte und ein Autohaus gegenüber versanken am frühen Morgen im braunen Schlamm des reißenden Flusses.
„Im Morgengrauen dann, konnte man die ganze Katastrophe sehen. Ein Anstieg von 8 Metern in 12 Stunden“ berichtet sie von der Jahrhundertflut, welche die Stadt heimsuchte, in der sie erst seit gut drei Monaten lebt. Ein anderes Geräusch habe sich dann zwischen urplötzlich zwischen die Donnerschläge gemischt. Es sei ein knirschendes Krachen und Poltern gewesen, so Vanessa weiter. Sie habe mit Entsetzten ansehen müssen, wie die Berge um sie abrutschten und hunderte Menschen durch die Schlamm- und Geröllmassen in den Tod rissen.
Nur sehr langsam ging das Wasser dann zurück, erst am Abend konnten Spezialfahrzeuge von Polizei und Feuerwehr die Strasse wieder mehr schlecht als recht passieren. Alles war meterhoch unter Schlamm, Müll, Autos und Gebäudeteilen vergraben. Es gab kein Essen und kein Wasser zu kaufen. Beeindruckt hat Vanessa, die schon in Griechenland und Spanien gelebt hat, die Hilfsbereitschaft der Menschen. Viele wären auf die Strasse gegangen, um anderen zu helfen. Sofort sei Kleidung gespendet worden, verwirrte und verängstigte Personen seien getröstet und zu den eingerichteten Sammelunterkünften gebracht worden.
Insgesamt haben die Überschwemmungen und Erdrutsche in der Region offiziell bislang fast 700 Menschenleben gefordert, viele Personen werden zudem noch vermisst. Auch gut eine Woche nach der Katastrophe gehen die Behörden daher noch von steigenden Opferzahlen aus. Pessimisten rechnen mittlerweile sogar mit über 1.000 Toten in den fünf betroffenen Städten Teresópolis, Petrópolis, Sumidouro, Nova Friburgo und São José do Vale do Rio Preto.
Leider kein Kommentar vorhanden!