Seit einem halben Jahrhundert kämpfen Seuchenbekämpfer gegen den längsten Cholera-Ausbruch aller Zeiten. Doch ihre Mittel erweisen sich zunehmend als unzulänglich, und der Erreger wird gefährlicher. Die globale Strategie gegen die Cholera ist gescheitert.
Das Jahr 2011 markiert ein wenig beachtetes Jubiläum: Vor 50 Jahren, im Jahr 1961, begann in Indonesien die siebte Cholera-Pandemie in historischer Zeit. Sie dauert bis heute an. Unter den scheußlichen Krankheiten nimmt Cholera eine Sonderstellung ein, weil sie potentiell eine der gefährlichsten Infektionen überhaupt ist: Kaum eine Krankheit kann in so kurzer Zeit so viele Opfer fordern wie die Cholera. Sie verursacht heftige lokale Ausbrüche, bei denen sich sehr schnell sehr viele Menschen anstecken, und sie kann einen Menschen binnen 24 Stunden töten.
Der seit einem halben Jahrhundert umgehende Erreger gehört zum Subtyp El Tor, der zwischenzeitlich als eigene Art galt, weil er sich in mehreren Merkmalen vom klassischen Vibrio cholerae unterscheidet. El Tor ist zwar hochansteckend, aber nicht so aggressiv wie frühere Stämme. Man könnte ihn als nachgerade träge bezeichnen, jedenfalls hat es nach dem ersten Ausbruch in Indonesien ein Jahrzehnt gedauert, bis sich der Stamm in Asien verbreitete hatte. Trotz tatkräftiger Mithilfe des internationalen Reiseverkehrs hat er sogar dreißig Jahre gebraucht, um auf einen anderen Kontinent, nach Südamerika, zu gelangen. Dafür kann El Tor besser in der Umwelt überleben und Menschen mit höherer Wahrscheinlichkeit symptomlos infizieren – und die Betroffenen zu ahnungslosen Bakterienschleudern machen.
Dass man von so wenig hört, liegt an einer ausgesprochen nützlichen Erfindung, die dem Erreger den größten Teil seines Schreckens genommen hat. Es ist ein Getränk, das man selbst mit einfachsten Mitteln zubereiten kann und das Wasser und Elektrolyte wieder zuführt, die durch die Cholera kontinuierlich am Hinterende des Patienten verloren gehen. Mit Hilfe dieser einfachen Gegenmaßnahme kann man die Sterblichkeit durch den schweren Durchfall im Idealfall auf unter ein Prozent drücken, so lange die Zutaten – unter anderem Zucker und Salz – greifbar sind. Das ist auch der Grund, weshalb heutzutage bei Choleraausbrüchen selbst in gescheiterten Staaten meist nur fünf Prozent oder weniger der Erkrankten sterben.
Bei näherer Betrachtung erweist sich aber gerade der große Erfolg der Rehydratationslösung als Hindernis. In den letzten Jahrzehnten hat die Verfügbarkeit des billigen und einfachen Gegenmittels dazu geführt, dass sich die Cholerabekämpfung darauf konzentriert hat, einerseits im Ernstfall das Gegenmittel zur Verfügung zu stellen und andererseits die tiefere Ursache des Cholera-Problems anzugehen: Dass ein beträchtlicher Teil der Weltbevölkerung keinen oder unsicheren Zugang zu sauberem Trinkwasser hat. Unglücklicherweise hat sich daran trotz dieser Bemühungen nicht allzu viel geändert, und das wird es – wettet jemand dagegen? – auch in absehbarer Zukunft nicht.
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