Die nächtlichen Insektenesser wurden zudem auch direkt dezimiert. Eine direkte Bejagung durch den Menschen scheint zwar kaum stattgefunden zu haben, da die Schlitzrüssler als ungeniessbar und im allgemeinen auch als unschädlich galten. Mit den Siedlern kamen jedoch deren Hunde und Katzen, welche gerne im Umfeld der Dörfer Jagd auf alles machen, was sich bewegt. Und auch die vom Menschen eingeschleppten Mungos (Herpestes edwardsi) und Wanderratten (Rattus norwegicus) dürften den Schlitzrüsslern schwere Schäden zugefügt haben. Denn auf Fressfeinde waren sie überhaupt nicht vorbereitet: Das zeigt sich deutlich an ihrer niedrigen Fortpflanzungsrate, aufgrund derer sie erlittene Bestandseinbussen kaum mehr wettzumachen vermögen.
Die genaue Grösse der noch existierenden Schlitzrüsslerbestände ist zwar nicht bekannt. Es ist aber unbestritten, dass sie überaus selten und stark bedroht sind. Sowohl der Dominikanische als auch der Kubanische Schlitzrüssler stehen heute auf der von der Internationalen Union für Naturschutz (IUCN) herausgegebenen «Roten Liste» der vom Aussterben bedrohten Tierarten. Ausserdem sind sie in Anhang 1 des Washingtoner Abkommens (WA) aufgeführt, wodurch sie vom Handel zwischen den über 110 Unterzeichnerstaaten dieses internationalen Artenschutzübereinkommens vollständig ausgeschlossen sind.
Konkrete Anstrengungen zum Schutz der Schlitzrüssler werden seit geraumer Zeit unternommen. So startete der Welt Natur Fonds (WWF) bereits 1975 ein erstes Projekt zur Rettung der Schlitzrüssler. Damals beauftragte er den österreichischen Insektenesser-Spezialisten Walter Poduschka damit, die Verbreitung und aktuelle Bestandssituation der Schlitzrüssler auf Kuba und Hispaniola zu erforschen.
Auf Kuba steht die Art heute unter gesetzlichem Schutz. Ausserdem wurden im gebirgigen Osten der Insel mehrere Naturschutzgebiete geschaffen, in welchen neben dem Kubanischen Schlitzrüssler auch der spektakuläre Elfenbeinspecht (Campephilus principalis) und einige weitere stark bedrohte kubanische Tierarten vorkommen. Die Chancen für den Fortbestand des Kubanischen Schlitzrüsslers stehen damit gar nicht allzu schlecht.
Kaum Hoffnung scheint es dagegen für das längerfristige Überleben des Dominikanischen Schlitzrüsslers in Haiti zu geben. Haiti, das die westliche Hälfte Hispaniolas einnimmt, gilt als eines der am schlimmsten verwüsteten Länder der Karibik, ja womöglich der ganzen Welt. Von der natürlichen Pflanzendecke sind nur noch ein paar klägliche Fetzen in unzugänglichen und für die Landwirtschaft uninteressanten Schluchten übrig. Diese kleinen, nicht miteinander verbundenen Vegetationsreste dürften leider kaum genügen, um langfristig überlebensfähige Schlitzrüsslerbestände zu beherbergen.
In der Dominikanischen Republik, welche die Osthälfte Hispaniolas einnimmt, sind die Aussichten für den Dominikanischen Schlitzrüssler etwas günstiger. Die Art steht hier unter gesetzlichem Schutz, und in jüngerer Zeit wurden – unter anderem aufgrund der vom WWF gemachten Vorschläge – mehrere Waldreservate geschaffen. Mit dem Vollzug der Naturschutzgesetze hapert es allerdings, und das Management der Reservate lässt ebenfalls noch zu wünschen übrig. Beides müsste sich möglichst bald ändern, wenn der Dominikanische Schlitzrüssler, seines Zeichens eines der altertümlichsten Säugetiere der Welt, eine Zukunft haben soll.
Für agência latina press
Markus Kappeler
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