Monatelang angedockt
Auch über das Fortpflanzungsgeschehen bei der Mittelamerikanischen Wollbeutelratte ist kaum etwas bekannt. Wir können aber davon ausgehen, dass es sich ähnlich abspielt wie bei den anderen, besser untersuchten neuweltlichen Beutelsäugern, denn diese verhalten sich alle sehr ähnlich. Hier ein kurzer Überblick:
Im Allgemeinen wird die Fortpflanzung zeitlich so gehandhabt, dass die Jungtiere den mütterlichen Beutel verlassen können, wenn das Nahrungsangebot reichlich ist und somit der Start ins Leben leicht fällt. In Mittelamerika erfolgen die Paarungen darum zur Hauptsache während der regionalen Trockenzeit zwischen Februar und Mai. Eine über die Paarung hinausgehende Paarbeziehung zwischen Männchen und Weibchen existiert nicht.
Nach einer kurzen Tragzeit von etwa 25 Tagen kommen die winzigen, embryoartigen Jungtiere zur Welt. Je Wurf sind es bei der Mittelamerikanischen Wollbeutelratte gewöhnlich drei oder vier, selten bis sechs. Nach dem Verlassen der Geburtsöffnung «kämpfen» sie sich durch das mütterliche Bauchfell, bis sie das Zitzenfeld erreichen. Haben sie dies geschafft – was längst nicht immer der Fall ist – saugen sie sich an einer Zitze fest, worauf diese anschwillt und den Mundraum ausfüllt. So verbleiben die Jungen während der nächsten ungefähr drei Monate an ihre Mutter «angedockt» und werden von ihr überallhin mitgetragen.
Im Alter von drei Monaten lösen sich die Jungtiere aus ihrer Verankerung, denn nun sind sie zu gross und zu schwer, um von der Mutter weiterhin umhergetragen zu werden. Allerdings sind sie noch zuwenig weit entwickelt, um ihr nachklettern zu können. Das Weibchen lässt seinen Nachwuchs darum in einem sicheren Versteck zurück, während es auf die Nahrungssuche geht. Bei der Östlichen Wollbeutelratte dienen Höhlungen in Stämmen oder dicken Ästen als Unterschlupf, was auch bei der Mittelamerikanischen Wollbeutelratte der Fall sein dürfte. Während rund eines Monats bleiben die Jungen in ihrem Nest und werden dort weiterhin von der Mutter mit Milch versorgt. Danach begleiten sie sie auf ihren Streifzügen durch das Kronendach und nehmen eigenständig Nahrung zu sich. Wenig später löst sich die Kleinfamilie auf.
Insgesamt beträgt die Zeit von der Geburt bis zur Selbstständigkeit bei den Wollbeutelratten somit ungefähr vier Monate, weshalb die Weibchen dort, wo die Saisonalität gering und das Nahrungsangebot ganzjährig gut ist, zwei bis sogar drei Würfe im Jahr aufzuziehen vermögen. Geschlechtsreif werden die jungen Wollbeutelratten im Alter von acht bis zehn Monaten. In Menschenobhut können die Tiere über sechs Jahre alt werden. In der freien Wildbahn mit all ihren Unwägbarkeiten liegt die Lebenserwartung aber wohl bei nur zwei bis drei Jahren.
Schwindende Bestände
Früher wurden Wollbeutelratten in grosser Zahl erlegt, um ihr Fell zu gewinnen. Heute ist dies nicht mehr üblich, weil der wollige Pelz nicht mehr gefragt ist. Trotzdem gibt es Hinweise auf ein Schwinden der Bestände der Mittelamerikanischen Wollbeutelratte. Dies ist vor allem auf die Zerstörung ihres Lebensraums, der Regenwälder, zurückzuführen. Die Art wird deshalb von der Weltnaturschutzunion (IUCN) in der Kategorie «Verletzlich» auf der Roten Liste der gefährdeten Tierarten geführt. (Die beiden anderen, in Südamerika heimischen Wollbeutelrattenarten gelten als «Fast gefährdet».)
Auch in Belize, dem Ausgabeland der vorliegenden Briefmarken, schwinden die Wälder. Zwar verfügt die ehemalige britische Kolonie («Britisch-Honduras»), welche mit einer Festlandfläche von 22 145 Quadratkilometern etwa halb so gross ist wie die Schweiz (41 285 km2), im Binnenland noch über ausgedehnte Regenwälder. Diese werden jedoch mehr und mehr zurückgedrängt, weil die Wirtschaft boomt, die Bevölkerung entsprechend schnell wächst, und somit die Nachfrage nach Siedlungs- und Plantagenflächen sowie Brenn- und Bauholz gross ist.
Da unsere Kenntnisse über die Bestandssituation und die Lebensraumansprüche der Mittelamerikanischen Wollbeutelratte spärlich sind, sollten dringend entsprechende Erhebungen durchgeführt werden. Erst dann lassen sich geeignete Massnahmen zum Schutz dieses einzigartigen Beutelsäugers treffen. Davon würden zweifellos viele weitere Wildtierarten Mittelamerikas profitieren, darunter die anderen sieben in Belize heimischen Beutelsäuger, von denen wir stellvertretend die Blassbauch-Zwergbeutelratte (Marmosa robinsoni) und die Graue Vieraugenbeutelratte (Philander opossum) nennen wollen.
Für agência latina press
Markus Kappeler
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