Alte Schuhe und Plastikbojen im Magen
Trotz seiner enormen Körpergrösse blieb der Walhai der westlichen Wissenschaft lange verborgen. Erst 1828 erfolgte die erste detaillierte Beschreibung des mächtigen Meeresbewohners, und 1829 erhielt er seinen wissenschaftlichen Namen Rhincodon typus. Da sich der Walhai in einigen wichtigen Körpermerkmalen deutlich vom Rest der Haiverwandschaft unterscheidet, wird er heute in eine eigene Familie namens Rhincodontidae gestellt.
Unser Wissen über das Leben des Walhais ist ziemlich mager, und die wenigen zuverlässigen Informationen, die wir besitzen, verdanken wir zur Hauptsache einem einzigen Mann: E.W. Gudger vom Amerikanischen Museum für Naturgeschichte. In der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts hatte er sich intensiv mit dieser Fischart befasst, 47 wissenschaftliche Arbeiten über sie veröffentlicht und sein Büro in ein Walhai-Dokumentationszentrum verwandelt.
Gemäss der von Gudger gesammelten Informationen ist der Walhai ein echter Hochseebewohner. Er kommt in allen Weltmeeren vor, hält sich vorzugsweise in den warmen Gewässern der tropischen Breiten auf und verlässt diese höchstens dort, wo warme Meeresströmungen weiter nach Norden oder Süden fliessen, wie dies etwa bei den japanischen Inseln oder beim südlichen Afrika der Fall ist.
Hinsichtlich seiner Ernährungsweise unterscheidet sich der Walhai deutlich von der Mehrzahl seiner Vettern: Während die meisten Haie angriffslustige Unterwasserjäger sind, ernährt er sich hauptsächlich von Zooplankton, also jenen Wolken von Ruderfusskrebschen und anderen tierlichen Kleinstlebewesen, welche ohne nennenswerte Eigenbewegung frei im Wasser schweben.
Als Anpassung an die Nutzung dieser Futterquelle besitzt der Walhai einen sehr breiten Kopf mit einer besonders grossen, «endständigen» Mundöffnung. Die Zähne sind stark rückgebildet und für die Ernährung nicht mehr von Bedeutung. Eine wichtige Funktion hat dagegen der ungewöhnlich gebaute Kiemenkorb übernommen: Die knorpeligen Kiemenbögen weisen zahlreiche, dichtstehende Querverbindungen auf und sind mit einem schwammartigen Gewebe überzogen. So bildet der Kiemenkorb eine Art Netz mit einer Maschengrösse von nur zwei bis drei Millimetern. Zur Nahrungsgewinnung saugt der Walhai beim Schwimmen planktonhaltiges Wasser durch den Mund ein und presst es dann durch seinen «Kiemenfilter» wieder hinaus. Selbst die winzigsten Organismen werden bei diesem Vorgang unweigerlich im Kiemenkorb zurückgehalten und gelangen anschliessend in den Verdauungstrakt.
Untersuchungen von Mageninhalten haben gezeigt, dass der Walhai neben Zooplankton auch kleinere Fische und Tintenfische erbeutet, welche in den Sog seines riesigen Mundes geraten. Und da er oft unmittelbar unter der Wasseroberfläche auf Nahrungssuche geht, fallen ihm auch recht häufig alte Schuhe, Holzstücke, Plastikbojen und andere Abfälle des Menschen «zum Opfer».
Gerne vergesellschaftet sich der Walhai im übrigen mit kopfstarken Schwärmen teils planktonfressender, teils auch räuberischer Hochseefische. Warum er das tut, ist nicht geklärt. Das Verhalten ist aber so typisch, dass beispielsweise die Fischer im Golf von Guinea Ausschau nach dem mächtigen Hai halten, um gute Fischgründe ausfindig zu machen. Anderenorts, so etwa im Bereich der Malaiischen Halbinsel, gehen die Fischer dem Walhai hingegen möglichst aus dem Weg, da sich der «Koloss» oft in ihren Netzen verstrickt und dabei grossen Schaden anrichtet.
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