Sicher wird Humala in der Stichwahl wieder die Stimmen der ärmeren und von den Regierungen in Lima immer schon chronisch vernachlässigten Bevölkerung in den „pueblos jovenes“ der großen Städte sowie den ländlichen Regionen vor allem im Hochland bekommen. Anders als die dünne Oberschicht und die wohlhabendere Mittelklasse in den städtischen Zentren der Küste haben sie nämlich nicht von Perus seit Jahren anhaltendem und durch die hohen Rohstoffpreise getriebenen Wirtschaftsaufschwung profitiert.
Doch ihre Stimmen alleine dürften Humala nicht zum Sieg über Keiko Fujimori verhelfen. Dazu müsste er zumindestens noch einen Teil der Wähler gewinnen, die in der ersten Runde für einen der ausgeschiedenen Kandidaten wie Ex-Präsident Toledo, dessen früheren Wirtschaftsminister Kuczynski oder Limas ehemaligen Bürgermeister Castañeda gestimmt haben. Unter ihnen könnte Humala am ehesten Unterstützer bei den nicht wenigen einstigen APRA-Wählern finden.
Wegen des Totalausfalls der sozialdemokratischen APRA, die ohne eigenen Präsidentschaftskandidaten in die Wahl am 10. April gegangen war und bei den gleichzeitig stattgefundenen Kongresswahlen nur noch vier (!) der 120 Parlamentssitze erringen konnte, sind ihre einstigen Wähler nämlich nunmehr quasi politisch heimatlos. Wie konnte es nur zu diesem Niedergang dieser ältesten und traditionsreichsten Partei Perus kommen, hatte sie doch die letzten fünf Jahre mit Alan García sogar den Präsidenten gestellt?
Nicht nur die Korruptionsskandale bei der Vergabe von Konzessionen an ausländische Rohstoffkonzerne während Alan Garcías auslaufender Amtszeit, die 2008 sogar zum Rücktritt seines Vertrauten Ministerpräsident Jorge del Castillo und dessen kompletter Regierung geführt hatten, sowie seine Ignoranz gegenüber den indianischen Ethnien und ihren Protesten gegen die Explorationen amerikanischer Ölkonzerne im Amazonasgebiet haben die APRA und ihre Anhänger frustriert. Mit seiner neoliberalen, einseitig Kapital und ausländische Investoren begünstigenden Politik hat Alan García vielmehr die einstigen politischen Ideale der APRA und ihres legendären Gründers Haya de la Torre verraten und so das sozialreformerische Selbstverständnis der alten Partei ruiniert.
Die APRA kann sich und ihre politischen Traditionen jetzt dagegen durchaus bei Humala wiedererkennen. Tatsächlich könnte dessen Programm in weiten Teilen aus der Feder von Haya de la Torre stammen. Dieser hatte immer für eine bessere gesellschaftliche Integration der Hochlandbauern und indigenen Bevölkerung sowie für eine die Entwicklung der nationalen Industrie und Landwirtschaft fördernde Politik gekämpft. Auch Alan García hatte während seiner ersten Präsidentschaft in den 80er Jahren noch diese Politik verfolgt. Doch nun scheint eher Humala in der politischen Tradition von Haya de la Torre zu stehen, der – würde er heute wählen – eigentlich für Humala stimmen müsste!
Wie Humala wurde auch Haya de la Torre immer nachgesagt, Kommunist zu sein, und mehrfach hatte Perus alte politische Oligarchie seinen Sieg an der Wahlurne durch Betrug oder mit Hilfe von Interventionen des Militärs verhindert. Für Humala dürfte es jedenfalls nicht einfach werden, diesmal die Stichwahl für sich zu entscheiden. Perus politische Rechte wird ihre gesamte finanzielle und mediale Macht aufbieten, um dies zu verhindern.
James Siever ist Autor von „Alan Garcia. Der Schuldenrebell“
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