Im Rahmen des Prozesses wegen Folter und sexuellem Missbrauch in der „Colonia Dignidad“ sind in Chile am Montag (23.) acht deutsche Staatsbürger festgenommen worden. Nach Medienberichten handelt es sich dabei um Karl Van den Berg, Gerhard Mucke, Kurt Schnellenkamp, Friedhelm Zeitner, Matias Gerlach, Renate Freitag, Gerd Seewald und Gisela Gruhlke. Sie wurden am Abend in ein Untersuchungsgefängnis in der Hauptstadt Santiago gebracht.
Ihnen und weiteren Gesuchten wird vorgeworfen, gemeinsam mit dem inzwischen verstorbenen Leiter und Gründer der Kolonie, Paul Schäfer, über Jahrzehnte Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht sowie Gegner der Pinochet-Diktatur gefoltert, die Taten geduldet oder verschleiert zu haben. Zudem sollen sie bei der Flucht Schäfers in Exil nach Argentinien Beihilfe geleistet haben. Im Januar dieses Jahres hatte ein Gericht insgesamt 25 ehemalige Mitglieder der Sekte zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, darunter auch die nun verhafteten. Da das Urteil muss jedoch noch vom obersten Gerichtshof des Landes bestätigt werden muss, blieben die Täter bislang unter strengen Auflagen auf freiem Fuss.
Unter den zu Jahresbeginn Verurteilten befand sich auch die ehemalige rechte Hand Schäfers, der deutsche Arzt Dr. Hartmut Hopp. Er ist inzwischen allerdings untergetaucht und hat sich vermutlich ins Ausland abgesetzt. Die chilenische Justiz hat daher umgehend einen internationalem Haftbefehl veranlasst. Der Ermittler vermuten, dass Hopp sich in Deutschland aufhalten könnte, wo dessen Ehefrau lebt.
Der chilenische Sonderrichter Jorge Zepeda hat bereits die Freilassung der Festgenommenen auf Kaution strikt abgelehnt. Seiner Aussage nach bestehe nach dem Verschwinden Hopps nunmehr eine massive Verdunklungs- und Fluchtgefahr. Auch sollen die Deutschen aufgrund ihres teilweise fortgeschrittenen Alters rund um die Uhr auf ihren Gesundheitszustand überwacht werden.
Das rund 17.000 Hektar grosse Anwesen der „Colonie Dignidad“, welches heute unter dem Namen „Villa Bavaria“ firmiert, war am Vormittag von Polizeikräften regelrecht gestürmt und intensiv durchsucht worden. Die wie eine Sekte strukturierte und stark von der Aussenwelt abgeschirmte Kolonie im Süden des Landes bestand seit 1962 und war in den folgenden Jahrzehnten Tatort unzähliger Folter- und Missbrauchsfälle. Gründer Paul Schäfer war diesbezüglich im Mai 2006 zu 20 Jahren Haft verurteilt worden. Er starb am 24. April 2010 im Alter von 88 Jahren in einem Gefängniskrankenhaus.
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