Venezuela: Wie bekämpft man Korruption?► Seite 2

chavez-elena

Datum: 18. Juli 2011
Uhrzeit: 13:30 Uhr
Ressorts: Leserberichte
Leserecho: 1 Kommentar
Autor: (Leser)
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► Martin Bauer, Caracas

In Mitteleuropa einen Beamten mit 20 EURO kaufen zu wollen, würde von diesem eher als Beleidigung aufgefasst denn als Belohnung, da ein solcher Betrag nur einen winzigen Bruchteil seines Einkommens ausmacht, mit dem er ja seine Familie problemlos ernähren kann- und für Auto und Urlaub reicht es auch. Not zwingt ihn nicht. Ihn könnte nur Geldgier locken. Und da liegt sein „Preis“ ganz erheblich höher. – In Lateinamerika dagegen könnte er mit nur zehn solcher Vorgänge sein Monatseinkommen vervielfachen. Reine Geldgier als Motiv würden ihn wohl dennoch nicht so leicht schwach werden lassen; Menschen mit Rückgrat und Ehre gibt es hier nicht weniger als anderswo. Aber von seinem regulären Einkommen ist es ihm kaum möglich, auch nur für sich allein ein menschenwürdiges Leben zu finanzieren. Für seine Familie reicht es niemals. Sein Motiv ist also zunächst: Überleben. Und dies ist weitaus legitimer als maßlose Bereicherung ohne Not, wie ich sie sehr gut aus Deutschland kenne, speziell von Einkäufern großer Firmen und bei der behördlichen Vergabe von Bauaufträgen. Solche Positionen würden viele auch ohne Gehalt bekleiden… Ein steinreicher Ölkonzern, wie z.B. Venezuelas PDVSA vor der Verstaatlichung, zahlt jährlich 3-stellige Millionenbeträge (in $) an regulären, branchenüblichen Kommissionen, die aber in der Praxis auf eine Vielzahl oft dubioser Empfänger verteilt werden, worauf die Firma kaum direkten Einfluss hat. Warum nach der Verstaatlichung die PDVSA notleidend wurde und mangels Sicherheiten keine internationalen Anleihen mehr aufnehmen kann, mag sich jeder selber ausmalen.

Der aktive Bestecher wird, genauso wie der passiv Bestochene, vom System beeinflusst. Will er einen legalen oder illegalen Waffenexport realisieren, oder einem Konzern ein nicht wettbewerbsfähiges EDV-System verkaufen, wird er in jedem Land zunächst auf Hürden stossen, die sich gar nicht so selten mit einem Koffer voll Barem aus dem Weg räumen lassen. Diesen Level der Korruption wird man kaum jemals beseitigen können. Wenn aber Behörden und Firmen selbst einfachste Vorgänge nicht ohne mehrfach wiederholtes Vorsprechen erledigen, jedes mal nach Warten in endlosen Schlangen, wenn man von vorn herein weiß, eine Warensendung wird ohne Schmiergeld niemals den rechtmäßigen Empfänger erreichen, lässt sich vieles gar nicht anders regeln, als durch Zahlung eines Bonus. Wiederum ist es die Not, die zur Korruption geradezu zwingt.

Als Konsequenz zeigt sich also, verändert man die Verhältnisse derart, daß die Mehrzahl der Motive zur Korruption wegfallen, wird auch die Anzahl der Korruptionsfälle drastisch zurückgehen. Werden Arbeiter, Polizisten, einfache Angestellte und Beamte menschenwürdig bezahlt, ist dies natürlich keine Garantie für das Ende der Korruption. Tut man es aber nicht, ist die die Korruption garantiert, egal was man sonst dagegen unternimmt.

Leider ist in Lateinamerika, über die oben beschriebenen Zwänge hinaus, die Korruption längst zur „Kultur“ herangereift, als Fundament zahlloser Dinge, die woanders als Selbstverständlichkeit funktionieren. Selbst Bankangestellte, die erheblich besser verdienen, als der Strassenpolizist, erwarten „Geschenke“ von den Kunden, nur dafür, dass sie ihre Arbeit machen, für die der Kunde letztendlich schon bezahlt hat. Solange Arbeitgeber solche Leute nicht fristlos entlassen, solange Eltern ohne Not ihren Kindern zeigen, „wie die Dinge laufen“, reift auch kein Unrechtsbewusstsein. Dagegen kommen weder demokratische Regierungen noch Diktatoren an.

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  1. 1
    Der Bettler

    Hut ab Martin!! Einen besseren Leserbericht habe ich hier noch nicht gelesen.Einen Menschen das Wort Korroption so nahe zu bringen,daß man es auch verstehen kann,finde ich ganz toll.Ich würde mich freuen,wieder
    einmal einen Bericht über ein anderes brisantes Thema von Dir zu lesen.

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