Als sie am ersten Tag mit ihren Schokoladentütchen unterwegs war, verkaufte sie auf Anhieb fünfzehn davon, das waren alle, die sie liebevoll vorbereitet hatte: fünfzehn kleine Portionen in Folie verpackt und um das Plastiktütchen ein rotes Bändchen gebunden. Das war Anfang Frebruar, und Sonia wird wohl nie vergessen, wie aufgeregt sie war. Seitdem ist sie jeden Abend auf den Straßen Granadas unterwegs, um ihre Schokolade zu verkaufen. Natürlich ist sie nicht jeden Abend gleich erfolgreich, aber sie hat mittlerweile ihre Kunden, die manchmal schon auf sie warten oder ihr auf der calle Calzada, der ‚Promeniermeile‘ der Altstadt, entgegen kommen. Sonia ist eine zierliche, stille Person, die fast wie ein Schatten durch die Straßen huscht, immer freundlich und unaufdringlich. Die Leuten haben sie gern, sie darf auch die Hotelhallen und Restaurants betreten (was sonst kaum einem fliegenden Händler erlaubt ist), und mancher kauft auch mal ein Tütchen, obwohl er gar keine Schokolade mag. Ahaa, sagt sie am Ende jedes Satzes, mit Betonung auf dem -haa; ihr Spanisch ist weich und melodisch.
Sonia stammt aus Antigua in Guatemala, nach Granada die zweit älteste Stadt Zentralamerikas. Aus dieser Sicht hat ihr Dasein hier so etwas wie Symbolgehalt. Die Liebe führte sie hierher. Oscar, der Tischler aus Granada, hatte Möbel für eine Werkstatt in Antigua gefertigt, wo Sonias Schwester als Sekretärin arbeitete. Bei einer Firmenfeier lernten sie sich kennen. Es war Liebe auf den ersten Blick, am 30. November vor fünf Jahren, Sonia weiß es noch ganz genau. Nach der Geburt des Sohnes entschlossen sie sich, ihr Leben in Granada fort zu setzen. Hier kam dann noch ein Töchterchen zur Welt, und vor einem Jahr wagte sich Sonia das erste Mal als ‚Schokoladenmädchen‘ auf die Straße, anfangs mit der als ‚Nica-Bombo‘ bekannten Schokolade eines holländischen Geschäfts. Sie machte ihre Sache gut, doch das Glück dauerte nur sieben Monate, dann gingen die Holländer in den Ruhestand.
Sonia fragte sich, warum sie nicht eigentlich ihre eigene Schokolade kreieren sollte. Die Holländer hatten sich nie ‚in die Karten‘ gucken lassen, Sonia musste sich alles selbst erarbeiten. Sie recherchierte im Internet, suchte nach Anregungen bei holländischen und Schweizer Schoko-Produzenten, aber auch bei den Mexikanern und Guatemalteken, denn schon die Mayas waren verrückt nach Schokolade. Zwei Monate lang studierte und experimentierte Sonia, und Oscar musste als Verkoster her halten, bis sie im Januar so weit war, ihre erste Kreation, eine Milchschokolade, zum Verkauf vorzubereiten. Mittlerweile sind es drei Sorten, mit denen sie jeden Abend durch die Straßen des alten Granada huscht.
Die 31jährige Sonia hat große Pläne. Sie möchte ein kleines Geschäft eröffnen, am liebsten auf der Calzada, wo sie die Leute kennen. „Sie fragen mich oft, wann sie denn endlich auch tagsüber meine Schokolade kaufen können – ahaaaaaaa.“
Vor dem Lädchen sollen ein paar Stühle stehen, Kaffee und Kakao soll es geben und auch Kurse für diejenigen, die ihre eigene Schokolade kreieren wollen. ahaaa.
Danke für das schöne moderne Märchen.Es tut gut mal was friedliches in
dieser gewaltbeherrschenden Welt zu lesen.
Angiven Venezuela
Danke zurück.
Es gibt viel mehr schöne moderne Märchen, als wir denken.
Wir müssen sie nur erzählen.