Teuflische Schatten: Guatemala und die Kultur der Gewalt► Seite 2

Datum: 25. November 2011
Uhrzeit: 15:39 Uhr
Ressorts: Leserberichte
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Autor: Andreas Böhm, Guatemala (Leser)
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Ein Beispiel dafür ist der ehemalige Präsident Alfonso Portillo (2000 – 2004). Seine prall gefüllten Konten auf den Bahamas, bei panamaischen und schweizerischen Banken, die erst kürzlich eingefroren wurden, sind Zeugnis für diese schamlose Plünderung des Staatshaushalts. Während des „bewaffneten Konflikts“, wie der Bürgerkrieg in Guatemala euphemistisch genannt wird, waren sowohl der Regierungsapparat als auch das Justizsystem auf den Kampf gegen die so genannte „linke Subversion“ ausgerichtet. Dabei ging es auch darum, den Mitgliedern der Polizei und Armee Straffreiheit für ihre Verbrechen zu garantieren. Spätestens 1996, nach dem formellen Friedensschluss zwischen der Guerilla-Organisation URNG und der Regierung von Präsident Alvaro Arzú, verselbständigten sich viele dieser Gefüge. Polizeiangehörige, Richter und Staatsanwälte gingen dazu über, sich in den Dienst der organisierten Kriminalität zu stellen, oder doch zumindest mit ihr zu kooperieren. So entstand ein Staatswesen, das Amnesty International in einem Report als „korporativen Mafiastaat“ bezeichnet hat.

Gleichzeitig schlossen sich in den Elendsvierteln der Städte immer mehr desillusionierte Kinder und Jugendliche kriminellen Gangs an, den so genannten Maras. Viele fühlten sich von den herrschenden Gesellschaftsschichten diskriminiert, verachtet und ausgeschlossen. Dabei spielte das ethnische Element eine nicht ungewichtige Rolle, denn bei den meisten Bandenmitgliedern handelt es sich um Maya-Indianer oder Mestizen. Zuverlässige Angaben über Mitgliederzahlen gibt es nicht, aber Schätzungen zufolge dürfte es heute in Guatemala zwischen 14.000 und 35.000 Mareros geben. Die meisten gehören der Mara Salvatrucha oder der Mara 18 an. Ihre Aktivitäten sind breit gefächert und reichen von Raubüberfall, Drogenhandel, dem Eintreiben von Schutzgeldern bis zum hin zum Auftragsmord.

Eine weit größere Gefahr geht aber von der Zersetzung der staatlichen Institutionen aus. Allein im Jahr 2008 wurden über eintausend Polizisten entlassen, darunter hohe Offiziere, weil man sie des Mordes, Raubes, einer Entführung oder anderer schwerer Delikte beschuldigte. Aber kaum einer von ihnen befindet sich bisher hinter Gittern. Zu den Nutznießern dieser Entwicklung gehören auch die immer mächtiger werdenden Drogenkartelle, die Guatemala zu einem der wichtigsten Zwischenstationen für den Transport südamerikanischen Kokains in die USA gemacht haben. Die Verbrechersyndikate verfügen über enorme finanzielle Ressourcen, mit denen sie sich die Gefälligkeit höchster Stellen im Sicherheits- und Justizapparat erkaufen. Und untereinander tragen sie blutige Fehden aus. So versucht das mexikanische Cartel del Golfo, Fuß zu fassen und die lokale Konkurrenz gefügig zu machen, etwa durch den Einsatz ihrer berüchtigten Kampftruppe, den Zetas. Hunderte von Toten jährlich gehen auf das Konto solcher Konfrontationen, bei denen modernste Waffen zum Einsatz kommen, die denen der Sicherheitskräfte weit überlegen sind.
2007 nahm die Internationale Kommission gegen Straflosigkeit (CICIG) ihre Tätigkeit auf.

Diese unter einem UNO-Mandat operierende und von verschiedenen westlichen Ländern finanzierte Behörde ist ein weltweites Novum. Der guatemaltekische Staat hat damit faktisch zugegeben, unfähig zu sein, alleine gegen die Spirale der Gewalt ankämpfen zu können, und ist die internationale Gemeinschaft um Hilfe angegangen. Zu den Aufgaben der CICIG, die momentan, im Jahr 2011, vom ehemaligen costaricanischen Generalstaatsanwalt Francisco Dall’Anese geleitet wird, gehört die Untersuchung der verschiedenen kriminellen Strukturen im Lande. Zwar verfügt die CICIG nicht über die Kompetenz zur Einleitung von Strafverfahren, begleitet aber beratend die zuständigen Behörden und tritt in wichtigen Fällen als Nebenklägerin auf. Erste konkrete Erfolge zeichnen sich ab. Es gibt Lichtblicke, die auf eine Besserung der Lage hoffen lassen. Nach vier Jahren der Unfähigkeit, der Improvisation, der faulen Ausreden und des Nichtstuns unter Präsident Alvaro Colom, setzten viele Guatemalteken ihre Hoffnungen auf den neugewählten Präsidenten Otto Perez Molina. Von diesem ehemaligen General, in dessen Lebenslauf es mehrere dunkle, ungeklärte Passagen gibt, wird nun erwartet, dass er das Land weg vom Abgrund und hin zu einer besseren Zukunft führt. Man darf gespannt sein.

Der freie Journalist und Autor Andreas Böhm hat ein Buch über die Gewalt der Jugendbanden in Guatemala geschrieben. Teuflische Schatten beruht auf den Erzählungen einer jungen Frau, die durch ihren Freund in das brutale Milieu der Maras geriet.

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