Holzeinschlag im Regenwald setzt massiv Kohlendioxid frei

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Datum: 12. Februar 2010
Uhrzeit: 15:44 Uhr
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Autor: Klaus Schenck
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Seit Jahrzehnten versucht sich die Tropenholzindustrie mit Werbekampagnen und falschen Behauptungen zum Regenwaldschützer aufzuspielen. Ihr neuster Coup: „Verantwortlicher“ Holzeinschlag zum Schutz des Klimas. Die Abholzer wollen dazu sogar mit Geldern aus dem Klimaschutz finanziert werden.

Die ungeheure Artenvielfalt der tropischen Regenwälder ist ein Wunder der Natur. Auch Bäume bilden hier keine Ausnahme. Im Yasuní-Nationalpark in Ecuador haben Wissenschaftler auf einem einzigen Hektar (10.000 m2) sage und schreibe 664 verschiedene Baumarten bestimmt. Für die Tropenholzindustrie ist das allerdings kein Anlass zur Freude. Sie ist nur an einigen wenigen Edelhölzern interessiert, die sich leicht zu Geld machen lassen. Die begehrten Bäume stehen meist einzeln und verstreut im Regenwald. Umgeben werden sie von einem Meer von für die Firmen wertlosen Bäumen und Vegetation. „Selektiver Holzeinschlag“ heißt das Fällen einzelner ausgewählter Bäume im Fachjargon. Dahinter verbirgt sich allerdings kein wissenschaftliches Konzept, sondern lediglich die Wirtschaftsweise der Holzindustrie. Die ist ein reiner Extraktionsbetrieb – die behauptete nachhaltige Waldbewirtschaftung findet in der Praxis nicht statt, es wird lediglich abgeholzt. Um an das Edelholz heranzukommen, müssen die Wälder erschlossen werden. Aus unberührter Wildnis werden Planquadrate. Mit schweren Maschinen wird ein Netzwerk von Holzfällerstraßen freigeschoben, werden Brücken gebaut, Lagerplätze, Sägewerke, Tanklager und Arbeitersiedlungen mitten im Dschungel errichtet. Allein im Kongobecken in Afrika bestehen nach Auswertung von Satellitenaufnahmen 51.916 Kilometer – das entspricht einer Erdumrundung am Äquator – solcher Holzfällerstraßen im Regenwald. Von diesen bahnen sich die tonnenschweren Holzschlepper den Weg quer durch das Unterholz bis zu jedem im Wald gefällten Baum, um die Stämme über Hunderte von Metern zum nächsten Holzlagerplatz zu ziehen. Die kommerziell nicht nutzbaren Bäume stehen ihnen dabei buchstäblich im Weg. Für jeden gefällten Urwaldriesen werden 10 bis 20 weitere große Bäume beschädigt, und Hunderte kleine Bäume einfach plattgewalzt.

Der am Ökosystem angerichtete Schaden ist enorm. Der empfindliche Urwaldboden wird verdichtet und
zerpflügt. Die an Rinde und Wurzeln der Bäume angerichteten Verletzungen sind die Eingangspforten für Pilze und Holzinsekten. Über Jahre, auch lange nach dem Abrücken von Motorsägen und Bulldozern, macht sich ein unheimliches Massensterben im Regenwald breit. Große Lücken werden in das Kronendach gerissen. Der Wald trocknet aus und in Gebieten mit längerer Trockenzeit bedeutet das Feuergefahr. Verheerende Waldbrände drohen.

Dabei sind die Urwälder wichtige globale Kohlenstoffsenken. Die 350 Millionen Hektar Regenwälder speichern die gigantische Zahl von 70 Milliarden Tonnen Kohlenstoff; im Durchschnitt sind es etwa 200 t Kohlenstoff pro Hektar. Jährlich absorbieren sie fast 5 Milliarden Tonnen Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre. Welchen Einfluss der selektive Holzeinschlag auf den Kohlenstoffhaushalt und das Klima hat, untersucht eine Studie aus dem Dunstkreis der Tropenholzindustrie um den Wissenschaftler Francis Putz von der Universität Florida. Die von den Holzfällern zerstörte Vegetation zersetzt sich schnell unter den feuchtheißen Bedingungen, mit fatalen Folgen. Die Hälfte der Biomasse, bis zu 120 t Kohlenstoff pro Hektar Wald, wird freigesetzt und entweicht als Treibhausgas CO2. Das ergibt 450 Tonnen CO2 pro Hektar, die nun die Atmosphäre und damit das Weltklima anheizen. Selektiver Einschlag, den die Holzindustrie gern als nachhaltig bezeichnet, gehört somit zu den größten Klima-Anheizern unserer Zeit: Pro Jahr lassen sich demnach 1,8 Milliarden Tonnen CO2 bzw. etwa 5 Prozent der weltweiten klimaschädlichen CO2-Emissionen direkt dem unheilvollen Wirken der Tropenholzindustrie in den Urwäldern der Erde zuschreiben. Das entspricht etwa dem doppelten CO2- Ausstoß Deutschlands! Erst nach etwa 8 Jahren kontinuierlicher Kohlenstofffreisetzung beginnen die Regenwälder wieder, langsam diesen zu binden. Das ist ein sehr langwieriger Vorgang. Viele Jahrzehnte bis Jahrhunderte vergehen, ehe die im Ökosystem gespeicherte Kohlenstoffmenge wieder die ursprünglichen Werte erreicht. Doch viele der von der Holzindustrie leer geräumten Regenwälder haben gar nicht die Chance dazu.

Die zum Abtransport des Holzes gebauten Straßen sind perfekte Einfallstore für Wilderer, Siedler, Plantagenfirmen, Minengesellschaften und Spekulanten. Sie roden den Wald endgültig und setzen auch noch den restlichen Kohlenstoff frei. Die flächendeckende Abholzung ist daher insgesamt sogar für ein Fünftel der globalen klimaschädlichen Kohlendioxidemissionen verantwortlich. Trotz der alarmierenden Zahlen machen Francis Putz und seine acht Wissenschaftlerkollegen sich nicht etwa für einen Stopp des auch aus vielerlei weiteren Gründen sehr schädlichen industriellen Holzeinschlags im Urwald stark. Stattdessen befürworten sie „verbesserte Holzeinschlagspraktiken”.


Mit Hilfe „guter Planung“ sollen die Schäden des kommerziellen Holzeinschlags im Urwald vermindert werden. Das versucht auch die Holzlobby schon seit Jahren weiszumachen. Gut ausgebildete und mit Landkarten ausgestattete Baggerfahrer würden weniger Regenwald plattwalzen, und dadurch weniger das Klima schädigen, so die simple Logik. Die Wissenschaftler rechnen vor, dass sich dabei bis zu einem Drittel der CO2-Emissionen einsparen ließen, und kommen zu einem ungeheuren Vorschlag: Der “Holzeinschlag mit reduzierter Auswirkung” sollte als Beitrag zum Klimaschutz angerechnet und über den Kohlenstoffhandel finanziert werden. Über die bereits existierenden CO2-Handelssysteme könnten so die zu Klimaschützern avancierten Holzfäller ihr Geschäft noch lukrativer betreiben.

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