Wie waren Ihre Möglichkeiten als Jugenddelegierte, um im Prozess um Rio+20 Einfluss zu nehmen?
Das ist eine schwierige Frage. Wir werden natürlich nicht die große Weltpolitik beeinflussen können. Ob jetzt Rio+20 ein Erfolg wird und ob diese großen Entscheidungen, die eigentlich notwendig wären, fallen oder nicht, darauf ist unser Einfluss eher beschränkt. Aber was wir mit Sicherheit machen konnten war im Kleinen immer wieder zu versuchen, dass die Interessen von Kindern und Jugendlichen im Text entsprechend Eingang finden und auch reflektiert werden. Wir haben uns zum Beispiel auch dafür eingesetzt, dass die Menschenrechte im Text erwähnt bleiben. Es gab in den Verhandlungen einzelne Staaten, die die Erwähnung von Menschenrechten, auch von bestimmten Menschenrechten aus dem Text rauslöschen wollten. Dann merkt man auf einmal, wie solche politischen Verhandlungen funktionieren und versteht, wenn ein Menschenrecht herausgelöscht wird. Dann ist es nicht so, dass es einfach nicht mehr im Text steht, sondern, dass das dann schon eine politische Bedeutung hat. Da haben wir uns zum Beispiel dafür eingesetzt, dass das Menschenrecht auf den Zugang zu sauberem Wasser und Sanitäreinrichtungen erwähnt bleibt. Das ist gerade auch für Kinder und Jugendliche wichtig, denn es ist ein Gesundheitsthema. Wir haben uns dafür zusammen mit vielen anderen Partnern eingesetzt und haben auch dafür Formulierungsvorschläge geliefert, die sich dann zumindest für eine zeitlang im Text wiedergefunden haben. Wie gesagt, wir werden die große Weltpolitik nicht verändern können aber wir versuchen eben im Kleinen, uns für die Interessen der jüngeren Generation einzusetzen.
Konnten Sie Passagen durchsetzen, mit denen Sie wirklich Einfluss nehmen könnten?
Wir haben als Jugendvertreter natürlich kein Recht, selber Änderungsanträge zu stellen. Letztendlich haben wir zwei Hüte auf: wir sind zum einen Mitglieder der deutschen Regierungsdelegation, beraten die Regierungsdelegation in Jugendfragen. Zum anderen sind wir aber auch Lobbyisten. So wie es Lobbyisten von Gewerkschaften, von der Wirtschaft und von Umweltorganisationen gibt, so verstehen wir uns eben auch als Lobbyisten für Kinder und Jugendliche. Daher sprechen wir auch nicht nur mit unserer eigenen Delegation, zu der wir gute Kontakte haben und uns auch regelmäßig austauschen, sondern sprechen auch mit anderen Verhandlern, anderen Delegationen, tauschen uns aus und werben im Prinzip für unsere Anliegen. Zum Beispiel in der Menschenrechtsgeschichte haben wir lange nicht nur mit unserer eigenen Delegation gesprochen. Wir haben auch herausgefunden, warum vielleicht einzelne Staaten gewisse Sachen im Text verändern möchten. Das ist dann aber hilfreich, weil wir dann auch wieder mit unserer eigenen Delegation sprechen können. Und an der einen oder anderen Stelle können wird dann vielleicht dazu beitragen, dass der Text vielleicht ein bisschen besser wird.
Wie beurteilen Sie den Zero Draft, den Entwurf des Abschlussdokumentes?
Das Abschlussdokument wird jetzt seit Januar verhandelt. Im Januar ist dieser Zero Draft, dieser berühmte Nullentwurf, veröffentlicht worden und es ist bei weitem kein Nullentwurf mehr. Es waren ursprünglich 17 Seiten Text, aus denen sind zwischenzeitlich über 200 Seiten Verhandlungstext geworden. Das war ein unheimlich kompliziertes Gebilde. Mittlerweile sind wir wieder bei 80 Seiten, dass ist immer noch sehr viel Text. Es hat sich sehr viel verändert und es ist im letzten halben Jahr klar geworden, dass es von dem Bild einer „Green Economy“, einer grünen Wirtschaft, sehr viele unterschiedliche Vorstellungen gibt. Das war am Anfang eine der Diskussionen, die sich bis heute durchziehen. Da streiten Leute, ob Gerechtigkeitsfragen und soziale Fragen ausreichend berücksichtigt werden, wenn man von „Green Economy“ spricht. Oder ob es da nicht nur darum geht, die bestehenden Wirtschaftsstrukturen quasi grün zu waschen. Ich glaube, dass nun schon ein bisschen mehr Klarheit im Text ist. Auf der anderen Seite, wenn man sich die institutionellen Fragen anschaut und den Text insgesamt, muss man realisieren, dass wir das was eigentlich notwendig wäre, um nachhaltige Entwicklung weltweit zu erreichen und die natürlichen Lebensgrundlagen auch zu erhalten, bei Rio+20 wahrscheinlich nicht hinkriegen werden. Und diese bittere Pille muss man schlucken und dann kann man entscheiden, ob man sich weiter im Prozess engagieren möchte oder ob man quasi aussteigt und sagt, das ist alles verloren. Wir möchten uns weiter im Prozess engagieren und schauen, auch wenn nicht alles möglich ist. Wir wollen versuchen zu verstehen, was eigentlich in diesem komplizierten politischen Gebilde möglich ist. Obama führt Wahlkampf, in Europa ist die Eurokrise ein ganz bestimmendes Thema. Und so gibt es ganz viele Themen, die eigentlich gar nicht auf die UN-Ebene gehören, die aber natürlich solche internationalen Verhandlungen beeinflussen. Dann versucht man zu verstehen, dass einfach nicht alles möglich ist, was man gerne hätte und nimmt daher einen pragmatischeren Ansatz und überlegt sich: „Was ist denn möglich?“ und versucht dann, das Beste daraus zu machen. Das ist in etwa unser Ansatz.
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