Die Jugend bei Rio+20: „Wir können nicht die Weltpolitik verändern!“► Seite 3

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Datum: 12. Juni 2012
Uhrzeit: 19:10 Uhr
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Autor: Sarah Hommel
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► Exklusiv-Interview mit dem Jugenddelegierten der Bundesregierung

Sind Ihre Wünsche in Hinblick auf die „Green Economy“ derzeit im Zero Draft ausreichend berücksichtigt?
Es wird jetzt ganz oft von einer „Fair and Just Green Economy“, also von einer fairen und gerechten grünen Wirtschaft gesprochen und das ist tatsächlich Ergebnis der Verhandlungen. Das hatte am Anfang so nicht in diesem Ergebnisdokument gestanden. Aber ich glaube, dass die Fragen doch auch weiterhin oft genug zu kurz kommen. Für den Alternativgipfel „People Summit“, der hier in Rio zusammentritt, wird es eine ganz wichtige Aufgabe sein, darauf aufmerksam zu machen. Der Text hat sich schon ein Stück weit in die Richtung bewegt, dass anerkannt wird, dass es soziale Fragen gibt, die zu berücksichtigen sind. Aber an diesem Punkt darf man nicht aufhören, darauf aufmerksam zu machen. Bei den vielen Diskussionen, was eigentlich eine “Green Economy“ ist und was sie vom nachhaltigem Wirtschaften unterscheidet, ist meiner Meinung nach immer wieder anzuerkennen, dass eine „Green Economy“ nur funktioniert, wenn die Menschenrechte anerkannt werden und wenn auch eine entsprechende soziale Gerechtigkeit hergestellt wird.

Hand aufs Herz: Steckt die Diskussion über Nachhaltigkeit in einer Sackgasse? Man hat schon das Gefühl, je mehr dieser Prozess voranschreitet, dass der Begriff Nachhaltigkeit mittlerweile regelrecht politisch ausgeschlachtet wird…
Ja, Nachhaltigkeit ist ein Teil der „political correctness“ geworden. Jedes Unternehmen und jede Regierung und jeder, der irgendwie Sachen macht, muss erklären, dass das irgendwie nachhaltig ist, was er macht. Dies bedeutet, dass es in gewisser Weise bereits ein Allerweltsbegriff und ein Alltagsbegriff geworden ist. Man kann nachhaltige Banken wählen, man kann nachhaltig in Urlaub fahren, man kann alles irgendwie nachhaltig machen. Das ist ja auch einer der Gründe, warum versucht wird, den neuen Begriff der „Green Economy“ zu platzieren. Ich glaube aber, dass man einfach nicht aufhören soll, darauf aufmerksam zu machen, welche Idee hinter der nachhaltigen Wirtschaft und diesen ganzheitlichen Ansatz steckt. Einschließlich des Versuchs, so zu leben, dass wir nicht andere, zukünftige Generationen gefährden und deren Rechte aufs Spiel setzen. Ich glaube, dass diese Kernbestandteile der nachhaltigen Entwicklung aktueller denn je sind. Und da müssen wir einfach daran arbeiten, dass dieser Begriff nicht irgendwie weichgewaschen wird. Auf der anderen Seite kann man natürlich sagen: dadurch, dass immer mehr Menschen über Nachhaltigkeit sprechen, bewegt sich vieles. Immer mehr Leute verstehen, dass man was tun muss, dass man seine eigene Lebens- und Wirtschaftsweise nachhaltiger gestalten muss. Man kann natürlich auch sagen, dass er als Seiteneffekt weichgewaschen wird, wenn immer mehr Leute ihn benutzen. Ich glaube, man muss sich das immer wieder vor Augen führen, um was es bei dem Konzept von nachhaltiger Entwicklung geht. Dass es da eben nicht nur darum geht, ein bisschen CO2 einzusparen oder Abfall zu sortieren.

Sie haben sich im Prozess auf die Reform der UN-Umweltorgane konzentriert. Denken Sie, die Vereinten Nationen benötigen noch ein weiteres bürokratisches Instrument, um endlich funktionierende internationale Umweltbestimmungen zu etablieren?
Ich gebe schon zu, dass das Thema ein bisschen nerdig ist. Da muss man Spaß dran haben, sich mit Institutionen auseinanderzusetzen. Aber wenn wir über globale Nachhaltigkeitsziele und „Green Economy“ sprechen und bei diesen vielen guten Ideen, die jetzt da zusammengetragen werden, muss man sich immer wieder bewusst werden: es muss jetzt irgendwie umgesetzt werden. Es reicht nicht, wenn jetzt Staats- und Regierungschefs nächste Woche in Rio sagen: „Das ist ganz nett und wir machen jetzt Green Economy“. Sondern man muss auch handfeste Beschlüsse im Rahmen von Institutionen schaffen und dabei braucht es auch jemand, der diese „Green Economy“ tatsächlich umsetzt. Dafür ist schon wichtig, selbst wenn es relativ komplex ist und es kein sexy Thema ist, sich mit Institutionen auseinanderzusetzten. Aber wenn man sich einfach zum Beispiel anschaut: Das UN-Umweltprogramm , dass es seit 1972 gibt, feiert dieses Jahr 40-jähriges Bestehen: das Budget des UN-Umweltprogrammes ist meines Wissens nach allerdings ein bisschen kleiner als das des Umweltministeriums in Kenia. Dies bedeutet, des ist verglichen zu anderen UN-Organisationen wie beispielsweise der Weltgesundheitsorganisation oder der Welthandelsorganisation es etwas ganz Kleines im UN-System. Auf der anderen Seite gibt es etwa 500 multilaterale Abkommen irgendwo im Umweltbereich. Da gibt es also jede Menge, aber es ist nur ein Riesenchaos, nichts wird wirklich koordiniert und es ist daher auch nicht wirklich effizient. Ich glaube, da muss man dringend etwas tun. Das ist auch im Interesse von Kindern und Jugendlichen, dass die Vereinten Nationen und die Internationale Gemeinschaft in der Lage sind, vernünftig vorwärts zu kommen. Und dafür muss man sich mit den Institutionenfragen auseinandersetzen. Und deshalb ist zum Beispiel die Gründung oder Schaffung einer UN-Umweltorganisation ganz wichtig. Wir bearbeiten alle möglichen Sachen in einer Sonderorganisation: von Atomstrom und Atombomben bis hin zu Gesundheit und Industrie. Es gibt für alles eine Sonderorganisation. Nur für die Umwelt gibt es keine. Das ist also ganz wichtig, dass man dieses Thema auf der internationalen Tagesordnung endlich einmal höher hängt und das bisherige Umweltprogramm einfach einmal gut ausstattet und entsprechend Geld in die Hand nimmt, um den Umweltbereich auch international voranzubringen. Man kann natürlich sagen, dass das UN-System insgesamt ein hoffnungsloser Fall ist. Und da sind wir wieder an dem Punkt: entweder man gibt diese Prozesse auf und sagt: das bring alles nichts und resigniert, oder man versucht sich damit abzufinden: „Was haben wir? Welche Schwierigkeiten haben wir?“ Und dann daraus das Beste zu machen. Deswegen glaube ich, es macht auch tatsächlich Sinn, sich mit diesen relativ komplizierten Institutionenfragen zu beschäftigen und auseinanderzusetzen um zu verstehen: warum sind Dinge so, wie sie sind und wie kann man sie besser machen. Also ich glaube, dass ist doch eine ganz lohnenswerte Sache.

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